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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Behandlung zur Kontrolle an ihr vorgenommen, es ist alles so geblieben, ich bin zufrieden. Falls ich mich nicht irre, wird ihr Organismus nun langsam wieder in Gang kommen, von Tag zu Tag ein wenig mehr. Vor allem nach vier Tagen werden Sie deutlich die Wirkungen erkennen, danach setzt die Phase der Konsolidierung ein. Doch Achtung, Adamsberg, vergessen Sie nie: Keine Polizistenfragen, was haben Sie gesehen, wer war es, was ist passiert? Noch ist sie nicht in der Lage, der Erinnerung daran ins Gesicht zu sehen, und sie mit Macht dahin zu führen würde alle unsere Bemühungen blockieren.«
    »Ich werde persönlich darüber wachen, Dr. Hellebaud«, versicherte Merlan eilfertig. »Ihr Zimmer wird abgeschlossen werden, und niemand kommt ohne meine Erlaubnis hinein. Und niemand wird mit ihr reden, ohne dass ich zugegen bin.«
    »Ich verlasse mich vollkommen auf Sie, lieber Kollege. Adamsberg, wenn Sie die Genehmigung noch eines zweiten Ausflugs für mich erwirken könnten, ich muss die Patientin in vierzehn Tagen noch einmal sehen. Es war mir ein Vergnügen, wirklich.«
    »Und ich danke Ihnen, Hellebaud, wirklich.«
    »Hören Sie, mein Freund, das ist doch mein Beruf. Apropos, Ihre Elektrizitätskugel? Wollen wir uns das mal gleich ansehen? René«, fragte er, an den Chefbewacher gewandt, »haben wir noch die fünf Minuten? Bei dem Kommissar brauche ich nicht länger. Er ist ungewöhnlich infrasymptomatisch.«
    »Das geht«, sagte René nach einem Blick auf die Wanduhr. »Aber um 18 Uhr spätestens müssen wir weg sein, Doktor.«
    »Das ist mehr, als ich brauche.«
    Der Arzt lächelte, tupfte sich die Lippen mit einer Papierserviette ab und zog Adamsberg mit sich in einen Korridor, gefolgt von zwei Wachmännern.
    »Sie brauchen sich nicht hinzulegen. Setzen Sie sich auf diesen Stuhl, das reicht vollkommen. Ziehen Sie nur Ihre Schuhe aus. Wo haben Sie die besagte Kugel? Im Nacken?«
    Der Arzt bearbeitete einen Augenblick den Schädel, den Hals und die Füße des Kommissars, verweilte auch bei seinen Augen und den Wangenknochen.
    »Sie sind immer noch genauso einzigartig, mein Freund«, sagte er schließlich und bedeutete ihm, dass er die Schuhe wieder anziehen könne. »Man brauchte bloß hier und da einige wenige irdische Verbindungen zu kappen, und Sie würden in die Wolken aufsteigen, dabei glauben Sie nicht mal anirgendwas. Wie ein Ballon. Passen Sie auf sich auf, Adamsberg, das sagte ich Ihnen schon einmal. Das wirkliche Leben ist, zugegeben, ein Haufen Scheiße, Niedertracht und Mittelmäßigkeit, darüber sind wir uns einig. Aber wir sind nun mal gezwungen, mein Lieber, da hindurchzuwaten. Gezwungen. Zum Glück sind Sie auch ein sehr einfaches Wesen, und ein Teil von Ihnen ist fest im Boden verankert wie der Huf eines im Schlamm stecken gebliebenen Stiers. Das ist Ihre Chance, und die habe ich am Hinterhaupt und am Jochbein bei der Gelegenheit etwas konsolidiert.«
    »Und die Kugel, Doktor?«
    »Die Kugel kam, physiologisch betrachtet, von einem gestauchten Abschnitt zwischen den Halswirbeln C1, der blockiert war, und C2. Und somatisch ist sie vermutlich in der Folge eines schweren Schuldkomplexes entstanden.«
    »Ich glaube nicht, dass ich jemals so etwas wie Schuld empfinde.«
    »Da mögen Sie eine glückliche Ausnahme sein. Aber auch die hat Schwachstellen. Ich würde sagen, und Sie wissen, aus wie großer Nähe ich diese Auferstehung miterlebt habe, dass der Einbruch eines Ihnen unbekannten Sohnes in Ihr Leben

und nicht nur unbekannten, auch seelisch gestörten durch die Abwesenheit des Vaters, wenn nicht gar demoralisierten durch Ihre Leichtfertigkeit, so könnten Sie vermuten

ein ganz schönes Quantum an Schuldgefühlen in Ihnen aufgebaut hat. Daher diese Reaktion an den Halswirbeln. Ich muss Sie jetzt verlassen, mein Freund. Vielleicht sehen wir uns in vierzehn Tagen wieder, falls der Richter noch einmal die Genehmigung unterschreibt. Wussten Sie, dass der alte Varnier total korrupt ist und verdorben bis auf die Knochen?«
    »Gewiss, diesem Umstand haben wir es ja auch zu verdanken, dass Sie hier sind.«
    »Gehaben Sie sich wohl, mein Freund«, sagte der Arzt und schüttelte ihm die Hand. »Ich würde mich wirklichfreuen, wenn Sie mich in Fleury hin und wieder besuchen kämen.«
    Er sagte »Fleury«, so als spräche er von seinem Landsitz, wo er ihn gern zu einem freundschaftlichen Nachmittagsplausch in seinem ländlichen Salon empfangen würde. Adamsberg sah ihn davongehen mit einem Gefühl von

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