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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Geduld einer der Grundpfeiler seines Perfektionismus war. Und Mortembots Haus zu beschützen war nicht sonderlich schwer. Zwei Fenster vorn heraus und drei nach hinten, alle mit Läden versehen. Einzige Schwachstelle: die kleine Luke des Toilettenfensters an der Seitenfront, ohne Laden, aber mit einem eisernen Gitter versperrt. Da musste der Mörderschon sehr nahe herankommen, um die Scheibe einzuschlagen und eine Kugel durch diese schmale Öffnung abzufeuern, was bei zwei Männern, die um das Haus herumliefen, unmöglich wäre. Und wenn man in Dimensionen des Seigneur Hellequin dachte, würde die verwendete Waffe vermutlich keine Kugel sein. Er würde Axt, Schwert, Lanze, Keule, Stein, die blanke Hand zum Erdrosseln benutzen, alles mittelalterliche Methoden, die nur von innen einsetzbar waren. Herbier allerdings war mit einem Gewehr mit abgesägtem Lauf getötet worden, und das detonierte.
    Adamsberg schloss die Kellertür und überquerte den großen Hof. Alle Lichter in der Herberge waren gelöscht, Veyrenc und Danglard schliefen. Mit den Fäusten vertiefte er noch ein wenig die Mulde in der Mitte seiner wollenen Matratze und grub sich hinein.

34
    Zerk und Mo hatten das Hotel durch den Notausgang verlassen, der auf die Dienstbotentreppe führte, und gelangten unbehelligt auf die Straße.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Mo, als er ins Auto stieg. »Wir suchen uns ein kleines Dorf im Süden, einen Steinwurf von Afrika entfernt. Dort gibt’s haufenweise Schiffe und jede Menge Seeleute, mit denen man eine kleine Abmachung treffen kann, dass sie uns rüberbringen.«
    »Du willst übersetzen?«
    »Wir werden sehen.«
    »Scheiße, Zerk, ich habe mitgekriegt, was du in deine Tasche gesteckt hast.«
    »Die Knarre?«
    »Ja«, sagte Mo ungehalten.
    »Bei unserem Halt in den Pyrenäen, als ich dich habe schlafen lassen, waren wir einen Kilometer von meinem Dorf entfernt. Ich habe keine zwanzig Minuten gebraucht, um die Waffe vom Großvater zu holen.«
    »Du bist total verrückt, was willst du mit einem Revolver anfangen?«
    »Einer Pistole, Mo. Einer 1935er A Automatik, Kaliber 7,5. Stammt aus dem Jahr 1940, aber sie funktioniert, das kannst du mir glauben.«
    »Und Munition, hast du auch Munition?«
    »Eine ganze Schachtel voll.«
    »Aber was, um Himmels willen, willst du damit machen?«
    »Immerhin kann ich schießen.«
    »Scheiße, du hast doch nicht die Absicht, auf einen Bullen zu schießen?«
    »Nein, Mo. Aber irgendwie müssen wir ja durchkommen, nicht wahr?«
    »Ich dachte immer, du wärst ein ruhiger Typ. Nicht so ’n durchgeknallter.«
    »Ich bin ein ruhiger Typ. Mein Vater hat dich aus der Reuse gefischt, an uns ist es jetzt, uns durchzuschlagen, damit wir nicht dahin zurückkehren.«
    »Gehen wir also gleich nach Afrika?«
    »Wir sehen uns erst mal ein bisschen bei den Schiffen um. Wenn sie dich kriegen, Mo, geht mein Vater hops. Auch wenn ich ihn nicht kenne, gefällt mir die Idee gar nicht.«

35
    Veyrenc schlief nicht. Er stand am Fenster und wartete. Danglard hatte den ganzen Abend einen so merkwürdigen Eindruck gemacht, Danglard heckte etwas aus, ein Vergnügen, einen Sieg, er dachte über einen Coup nach. Einen Coup beruflicher Art, so vermutete Veyrenc, denn der Commandant war nicht der Typ, der die von Émeri erwähnten Bordelle von Lisieux aufsuchte. Oder aber er hätte es ohne alle Umschweife angekündigt. Die Liebenswürdigkeit, die er ihm gegenüber gezeigt hatte und die seine kindische Eifersucht einmal vergessen ließ, hatte Veyrenc vollends in Alarmzustand versetzt. Er vermutete, Danglard war dabei, einen entscheidenden Fortschritt in der Ermittlung zu erzielen und kein Wort darüber verlauten zu lassen, um ihn zu überholen und sich einen Vorsprung in Adamsbergs Gunst zu sichern. Morgen würde er dem Kommissar stolz seinen Tribut vorweisen. Damit hatte Veyrenc nichts zu schaffen. Wie er sich auch nicht über das Vorhaben beunruhigte, das der Commandant in seinem für gewöhnlich gut geordneten Kopf erwägen mochte. Doch bei einer Ermittlung, während derer sich derartige Meuchelmorde häuften, ging man nicht allein.
    Um 1 Uhr 30 war Danglard noch immer nicht aufgetaucht. Enttäuscht warf sich Veyrenc, vollkommen bekleidet, aufs Bett.
    Danglard hatte seinen Wecker auf 5 Uhr 50 gestellt und war sofort eingeschlafen, was ihm selten passierte, außer wenn die Erregung angesichts einer bevorstehenden Handlung ihm befahl, schnell und tief zu schlafen. Um 6 Uhr 25am Morgen setzte er sich ans Steuer,

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