Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
sagte Lina und sah Adamsberg an, »hätte er sich quer drüberlegen müssen.«
    »Genau, Lina. Er wollte sich nicht umbringen, jemand hat ihn da hingelegt. Es handelt sich um meinen Stellvertreter Danglard. Jemand wollte ihn umbringen.«
    Hippolyte runzelte die Brauen.
    »Einen Zug als Waffe benutzen«, bemerkte er, »heißt sich die Sache nicht gerade einfach machen.«
    »Aber um einen Selbstmord vorzutäuschen, ist es nicht dumm«, sagte Martin. »Wenn man ein Bahngleis sieht, denkt man doch gleich an Selbstmord.«
    »Ja«, sagte Hippolyte und zog ein zweifelndes Gesicht. »Aber eine derartige Organisation kommt aus einem bleiernen Hirn. Ehrgeizig, aber primitiv. Latot tremmäheb. Total behämmert.«
    »Hippo«, sagte Adamsberg und schob seine Tasse vonsich, »ich müsste Sie mal allein sprechen. Danach auch Lina, wenn das möglich ist.«
    »Primitiv, primitiv«, wiederholte Hippo.
    »Aber ich muss Sie sprechen«, insistierte Adamsberg.
    »Ich weiß nicht, wer Ihren Stellvertreter umbringen wollte.«
    »Es geht um etwas anderes. Um den Tod Ihres Vaters«, fügte er leiser hinzu.
    »Also dann«, meinte Hippo mit einem Blick auf seine Mutter, »gehen wir besser nach draußen. Ich will mich nur noch anziehen.«
     
    Adamsberg lief auf dem kleinen Schotterweg neben Hippolyte, der ihn um gut zwanzig Zentimeter überragte.
    »Ich weiß nichts über seinen Tod«, sagte Hippo. »Er hat eins mit der Axt in den Schädel bekommen und eins in die Brust, und das war’s.«
    »Aber Sie wissen, dass Lina den Schaft abgewischt hat.«
    »Das habe ich damals gesagt. Aber ich war klein.«
    »Hippo, warum hat Lina den Schaft abgewischt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hippo ein wenig trotzig. »Nicht, weil sie ihn getötet hatte. Ich kenne meine Schwester, hören Sie. Nicht, dass sie nicht manchmal Lust dazu gehabt hätte, wie wir alle. Das Gegenteil war der Fall. Schließlich war sie es, die Suif daran gehindert hat, ihm die Kehle durchzubeißen.«
    »Also hätte sie den Schaft abgewischt, weil sie dachte, einer von Ihnen hätte ihn getötet. Oder weil sie einen von Ihnen dabei beobachtet hat. Martin, oder Antonin.«
    »Die waren sechs und vier Jahre alt.«
    »Oder Sie.«
    »Nein. Wir hatten alle viel zu große Angst vor ihm, um uns so etwas zuzutrauen. Dem waren wir einfach nicht gewachsen.«
    »Aber immerhin haben Sie den Hund auf ihn gehetzt.«
    »Dann wäre sein Tod Suifs Schuld gewesen, nicht meine. Verstehen Sie den Unterschied?«
    »Ja.«
    »Und das Ergebnis, der Mistkerl hat meinen Hund abgeknallt. Wir hatten das Gefühl, wenn einer von uns gewagt hätte, direkt auf den Vater loszugehen, wäre der fähig gewesen, uns alle umzubringen, wie Suif, und meine Mutter als Erste. Was vielleicht auch geschehen wäre, wenn der Graf mich nicht zu sich genommen hätte.«
    »Émeri sagt, Sie wären nicht gerade ein ängstliches Kind gewesen. Er sagt, Sie hätten in der Schule ziemlichen Terror verbreitet, als Sie klein waren.«
    »Ich habe den Laden ganz schön aufgemischt, ja«, erwiderte Hippolyte, der sein breites Lächeln wiedergefunden hatte. »Was sagt er, der Émeri? Dass ich ein kleiner Satansbraten war, der alle Welt terrorisierte?«
    »So ungefähr.«
    »Stimmt genau. Aber Émeri war auch kein Waisenknabe. Und er, er hatte keine Entschuldigung. Er war behütet und verwöhnt. Noch bevor Régis seine Folterbande gründete, gab es einen Hervé, der zum Halali blies, wenn es um mich ging. Na, und ich kann Ihnen sagen, dass Émeri nicht der Letzte war, wenn sie mich einkreisten, um mich zu verprügeln. Nein, Kommissar, ich bedaure nichts, ich musste mich verteidigen. Ich brauchte nur meine Hände gegen sie auszustrecken, und schon liefen sie schreiend auseinander. War ganz einfach. Und es war ihre eigene Schuld. Sie waren es, die gesagt haben, dass ich Teufelshände hätte, dass ich eine Ausgeburt der Hölle sei. Von allein wäre ich nicht drauf gekommen. Also hab ich es für mich benutzt. Nein, das Einzige, was ich bedaure, ist, dass ich der Sohn des übelsten Scheißkerls hier in der Gegend bin.«
    Lina hatte sich inzwischen angezogen, sie trug ein knapp sitzendes Blüschen, das Adamsberg erschauern ließ. Hippolyte überließ ihr den Platz und tätschelte ihr den Arm.
    »Er wird dich nicht auffressen, Schwesterchen«, sagte er. »Aber er ist auch nicht gerade zaghaft. Er möchte gern wissen, wo die Leute ihren Dreck versteckt haben, und das ist ein gemeiner Job.«
    »Er hat Léo gerettet«, sagte Lina und sah ihren Bruder

Weitere Kostenlose Bücher