Die Nacht des Zorns - Roman
sagte Émeri.
Die Grube war nicht sehr tief, allenfalls dreißig Zentimeter, und die Brigadiers hatten bald eine Plastikhülle freigelegt.
»Das ist es«, sagte Blériot. »Der Kerl wollte nicht riskieren, seine Waffe zu beschädigen. Er hat sie hier vergraben, um sie fürs Erste zu schützen. Die Grube muss er vorher ausgehoben haben.«
»Wie er auch vorher die Fensterscheibe herausgeschnitten hat.«
»Wie aber konnte er ahnen, dass Mortembot sich hier verkriechen würde?«
»Es war nicht schwer zu erraten, dass Mortembot nach Glayeux’ Tod wieder in das Haus seiner Mutter ziehen würde«, meinte Émeri. »Sehr schlecht eingegraben«, fügte er, auf die Grube weisend, naserümpfend hinzu. »Wie er auch die Axt sehr flüchtig versteckt hat.«
»Vielleicht ist er etwas beschränkt«, meinte Veyrenc. »Sehr effektiv in der unmittelbaren Aktion, aber unfähig, vorauszudenken. Eine gedankliche Organisation mit Fehlstellen, mit Lücken.«
»Oder aber die Waffe gehört jemandem, wie schon die Axt«, sagte Adamsberg, dem sich vor Müdigkeit alles im Kopf zu drehen begann, »zum Beispiel einem der Vendermots. Und der Mörder legt es darauf an, dass man sie findet.«
»Sie wissen, was ich von denen halte«, sagte Émeri. »Aber ich glaube nicht, dass Hippo eine Armbrust besitzt.«
»Und Martin? Wo er sich auf seinen Beutezügen doch immer im Wald herumtreibt?«
»Ich sehe ihn nicht mit einer Commander seine Viecher einfangen. Aber wer bestimmt eine besaß, war Herbier.«
»Vor zwei Jahren«, bestätigte Faucheur, »hat man eine Bache mit einem Armbrustbolzen in der Flanke gefunden.«
»Der Mörder könnte sie sich nach Herbiers Tod leicht aus seinem Haus geholt haben, bevor es versiegelt wurde.«
»Obwohl man«, sagte Adamsberg leise, »Siegel auch immer erbrechen und neu anbringen kann.«
»Dazu muss man aber Profi sein.«
»Das stimmt.«
Émeris Mannschaft nahm das Beweismaterial mit, um es nach Lisieux zu überführen, sperrte das Gebiet um die Grube und den Klappstuhl ab, ließ Blériot und Faucheur zur Bewachung da, bis das Team von der Spurensicherung einträfe.
Sie erreichten Mortembots Haus im selben Augenblick wie Dr. Merlan, der für die ersten Untersuchungen hergebeten worden war. Die Gerichtsmedizinerin wurde in Livarot festgehalten, wo ein Schieferdecker vom Dach gestürzt war. Dem Anschein nach nichts Kriminelles, aber die Gendarmen hatten es vorgezogen, sie zu rufen, in Anbetracht des Kommentars der Ehefrau, die schulterzuckend angedeutet hatte, dass ihr Mann »mit Cidre abgefüllt gewesen war wie ein Kuhpansen«.
Merlan besah sich den Leichnam von Mortembot und schüttelte den Kopf.
»Dass man nicht mal mehr in Ruhe pissen kann«, sagte er schlicht.
Eine etwas ungehobelte Grabrede, dachte Adamsberg, aber nicht ganz unzutreffend. Merlan bestätigte, dass der Schuss zwischen ein und zwei Uhr morgens, auf jeden Fall vor drei Uhr abgegeben worden war. Er zog den Bolzen heraus, ohne den Körper zu verschieben, damit seine Kollegin die Dinge in unverändertem Zustand vorfinden würde.
»Ein entsetzlich barbarisches Ding«, sagte er und bewegte das Geschoss vor Adamsbergs Augen. »Öffnen wird ihn meine Kollegin, aber wenn ich mir den Schusskanal so ansehe, hat der Bolzen den Kehlkopf bis hin zur Speiseröhredurchschlagen. Ich denke, er wird erstickt sein, noch bevor die Blutung eingesetzt hat. Ziehen wir ihn wieder an?«
»Dürfen wir nicht, Doktor. Erst nachdem die Spurensicherung da war.«
»Immerhin«, sagte Merlan mit einer Grimasse.
»Ja, Doktor, ich weiß.«
»Und Sie«, meinte Merlan und starrte Adamsberg an, »Sie sollten sich mal ganz schnell schlafen legen. Der da auch«, fügte er mit einer Daumenbewegung zu Danglard hinzu. »Hier ruhen sich einige Leute zu wenig aus. Sie werden mir noch umfallen wie die Kegel, ohne dass überhaupt eine Kugel gerollt ist.«
»Na, geh schon«, sagte Émeri und gab Adamsberg einen leichten Klaps auf die Schulter. »Ich werde auf die Jungs warten. Ich und Blériot, wir haben geschlafen.«
Hellebaud hatte in seinem Zimmer Spuren seines morgendlichen Ausflugs hinterlassen, indem er überall ein paar Körner verstreut hatte. Aber er war in Adamsbergs linken Schuh zurückgekehrt und gurrte, als er ihn sah. Diese Sache mit dem Schuh, so wider die Natur sie war, hatte wenigstens einen großen Vorteil. Die Taube deponierte ihren Mist nicht mehr großzügig im ganzen Raum, sondern strikt nur noch in diesen Schuh. Nach dem Schlafen würde er das
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