Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
desto weniger erklärt sie sich. Ihr Ruf gefällt ihr, und sie pflegt ihn. Sie hat wirklich keine Einzelheit genannt?«
    »Nein. Sie sagte, dass Herbiers Verschwinden kein Verlust wäre. Dass sie auch nicht schockiert gewesen sei, als sie ihn fand, da sie ja wusste, dass er tot war. Sie hat mir weitmehr von dem Fuchs und seiner Meise erzählt als davon, was sie an der Kapelle gesehen hat.«
    »Der Kohlmeise, die sich den dreibeinigen Fuchs auserkoren hatte?«
    »Ja, genau. Sie hat mir auch von ihrem Hund erzählt, von der Hündin auf dem Hof nebenan, vom heiligen Antonius, von ihrer Herberge, von Lina und ihrer Familie, von Ihnen, als sie Sie aus dem Teich gefischt hat.«
    »Stimmt«, sagte Émeri lächelnd. »Ich verdanke ihr mein Leben, und das ist meine früheste Erinnerung. Man nennt sie meine ›Wassermutter‹, weil sie mich ein zweites Mal hat auf die Welt kommen lassen, wie eine Venus aus dem Jeanlin-Teich. Meine Eltern haben Léo seit diesem Tag abgöttisch verehrt, und mir war eingeschärft worden, ihr niemals ein Haar zu krümmen. Es war tiefer Winter, und Léo ist bis auf die Knochen erstarrt mit mir aus dem Teich gestiegen. Man erzählt, dass sie drei Tage gebraucht hat, um wieder warm zu werden. Dann bekam sie eine Rippenfellentzündung, bei der sie beinahe draufgegangen wäre.«
    »Von der Kälte hat sie mir nichts erzählt. Sie hat mir auch nicht gesagt, dass sie mit dem Grafen verheiratet war.«
    »Sie rühmt sich niemals, sie begnügt sich damit, still ihre Überzeugungen zu verbreiten, und das ist schon viel. Keiner hier würde es wagen, ihren dreibeinigen Fuchs abzuknallen. Keiner außer Herbier. Seine Pfote und seinen Schwanz hat er in einer von dessen verfluchten Fallen verloren. Aber Herbier hat keine Zeit mehr gehabt, ihn vollends zu erledigen.«
    »Weil Léo ihn getötet hat, bevor er den Fuchs töten konnte.«
    »Dazu wäre sie durchaus fähig«, meinte Émeri aufgeräumt.
    »Haben Sie vor, den nächsten Ergriffenen überwachen zu lassen? Den Glaser?«
    »Er ist kein Glaser, er ist Glaskünstler.«
    »Stimmt. Léo sagt, dass er sehr begabt sei.«
    »Glayeux ist ein Dreckskerl, der nichts und niemanden fürchtet. Er ist nicht der Typ, der wegen eines Wütenden Heeres unruhig würde. Sollte er bedauerlicherweise doch in Panik geraten, können wir nichts dagegen machen. Wir werden einen Kerl nicht daran hindern, sich umzubringen, wenn er es will.«
    »Und wenn Sie sich nun irrten, Capitaine? Wenn man Herbier ermordet hätte? Dann könnte man auch Glayeux ermorden. Das meine ich.«
    »Sie verrennen sich, Adamsberg.«
    »Sie auch, Capitaine. Weil Sie keine andere Lösung haben. Ein Selbstmord wäre das kleinere Übel.«
    Émeri verlangsamte seinen Schritt, schließlich blieb er stehen und holte seine Zigaretten heraus.
    »Das müssen Sie mir näher erläutern, Kommissar.«
    »Das Verschwinden von Herbier wurde vor über einer Woche festgestellt. Außer einem Kontrollbesuch in seinem Hause, auf den nichts Weiteres folgte, haben Sie nichts unternommen.«
    »So ist das Gesetz, Adamsberg. Wenn Herbier weggehen wollte, ohne irgendjemandem etwas davon zu sagen, hatte ich kein Recht, ihm nachzuspionieren.«
    »Nicht mal nach dem Durchzug des Wütenden Heeres?«
    »Für diese Art Wahnwitz ist kein Platz in den Ermittlungen einer Gendarmerie.«
    »Doch. Wenn Sie gleichzeitig einräumen, dass von diesem Heer alles seinen Ausgang nimmt. Ob man ihn oder er sich selbst getötet hat. Sie wussten, dass er von Lina benannt worden war, und doch haben Sie nichts unternommen. Wenn man die Leiche erst entdeckt, ist es zu spät, um noch darauf zu hoffen, dass man irgendwelche Hinweise findet.«
    »Sie denken, es wird mir an den Kragen gehen?«
    »Ja.«
    Émeri tat einen Zug, stieß den Rauch aus, als wenn erseufzte, dann lehnte er sich an die alte Mauer, die die Straße säumte.
    »Also gut«, gestand er. »Es wird mir an den Kragen gehen. Vielleicht aber auch nicht. Man kann nicht verantwortlich gemacht werden für einen Suizid.«
    »Darum bestehen Sie ja auch so sehr darauf. Das Verschulden wiegt weniger schwer. Aber wenn es ein Mord ist, stecken Sie bis zum Hals in der Scheiße.«
    »Nichts beweist es.«
    »Warum haben Sie nichts getan, um Herbier zu suchen?«
    »Wegen der Vendermots. Wegen Lina und ihrer schwachsinnigen Brüder. Wir verstehen uns nicht besonders, ich wollte nicht auf ihr Spiel eingehen. Ich repräsentiere die Ordnung, sie die Unvernunft. Das haut nicht hin. Ich habe Martin mehrmals bei

Weitere Kostenlose Bücher