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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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nächtlicher Wilderei erwischt. Auch den Ältesten, Hippolyte. Er hat auf eine Gruppe von Jägern angelegt, hat sie gezwungen, ihre Sachen auszuziehen, hat sämtliche Gewehre einkassiert und alles in den Fluss geschmissen. Das Bußgeld konnte er nicht zahlen, er musste für zwanzig Tage in den Knast. Die würden mich gern hochgehen sehen. Darum habe ich mich nicht gerührt. Kommt gar nicht in Frage, dass ich denen in die Falle gehe.«
    »Was für eine Falle?«
    »Sehr einfach. Lina behauptet, dass sie eine Vision gehabt hat, dann verschwindet Herbier. Sie stecken unter einer Decke. Ich mache mich auf die Suche nach Herbier, und sie erstatten auf der Stelle Anzeige wegen Amtsmissbrauchs und Angriffs auf die persönliche Freiheit. Lina hat Jura studiert, mit dem Gesetz kennt sie sich aus. Angenommen, ich beharre darauf und suche weiter nach Herbier. Die Anzeige nimmt ihren Lauf bis rauf zur Generaldirektion. Eines schönen Tages taucht Herbier gesund und munter wieder auf, schließt sich den anderen an und erstattet Strafanzeige gegen mich. Ich handle mir einen Verweis oder eine Versetzung ein.«
    »Warum hätte, in diesem Fall, Lina dann die Namen von noch zwei weiteren Geiseln des Wütenden Heeres genannt?«
    »Aus Gründen der Glaubwürdigkeit. Sie ist schlau wie ein Wiesel, obwohl sie sich den harmlosen Anschein eines braven Muttchens gibt. Das Heer greift sich oft mehrere Lebende zugleich, das weiß sie. Mehrere Namen zu nennen war ein geschicktes Ablenkungsmanöver. An all das habe ich gedacht. Ich war überzeugt davon.«
    »Aber das war’s nicht.«
    »Nein.«
    Émeri drückte seine Zigarette an der Mauer aus und schob die Kippe zwischen zwei Steine.
    »Trotzdem, so wird es sein«, sagte er. »Er hat sich umgebracht.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Verdammt«, sagte Émeri und schlug einen lauteren Ton an, »was willst du von mir? Du hast keine Ahnung von der Geschichte, du weißt nichts von den Leuten hier, du kreuzt mir nichts, dir nichts aus deiner Hauptstadt auf und gibst deine Befehle.«
    »Es ist nicht meine Hauptstadt. Ich bin Béarner.«
    »Was soll mich das scheren?«
    »Und es sind keine Befehle.«
    »Ich werde dir sagen, was passieren wird, Adamsberg. Du wirst deinen Zug nehmen, ich werde die Akte über dem Selbstmord schließen, und in drei Tagen ist alles vergessen. Es sei denn, natürlich, du hast die Absicht, mich fertigzumachen mit deinem Mordverdacht. Der nichts weiter ist als Wind.«
    Wind, der ihm durch den Kopf weht, ein ständiger Luftzug zwischen beiden Ohren, das hatte schon seine Mutter immer zu ihm gesagt. Und unter diesem Wind kann kein Gedanke Wurzeln schlagen, ja nicht mal für einen Augenblick verweilen. Unterm Wind oder unterm Wasser, das istgleich. Alles wogt und schlängelt sich. Adamsberg wusste es und misstraute sich selbst.
    »Ich habe nicht die Absicht, dich fertigzumachen, Émeri. Ich sage nur, dass ich an deiner Stelle den nächsten Mann unter Polizeischutz stellen würde. Den Glaser.«
    »Glaskünstler.«
    »Ja. Stell ihn unter Polizeischutz.«
    »Wenn ich das tue, Adamsberg, liefere ich mich selbst aus. Verstehst du nicht? Damit würde ich sagen, dass ich nicht an Herbiers Selbstmord glaube. Und ich glaube daran. Soll ich dir sagen, was ich denke? Lina hatte allen Anlass, diesen Typ in den Selbstmord zu treiben, sie hat es vielleicht sogar absichtlich getan. Und darüber, ja, darüber könnte ich eine Ermittlung führen. Anstiftung zum Suizid. Die Vendermot-Kinder haben allen Grund, Herbier zum Teufel schicken zu wollen. Ihr Vater und er, das waren Brutalos, die sahen immer nur zu, wie sie einander an Rohheit übertreffen konnten.«
    Émeri lief weiter, die Hände in den Taschen, was die Eleganz seiner Uniform etwas verbeulte.
    »Freunde?«
    »Die zwei Finger einer Hand. Es heißt, der alte Vendermot hatte aus dem Algerienkrieg noch eine Kugel im Kopf, der hat man alle seine Anfälle von Gewalt zugeschrieben. Aber er und dieser Sadist Herbier, die haben sich gegenseitig noch aufgestachelt, so viel steht fest. Herbier zu terrorisieren, ihn in den Selbstmord zu treiben, das wäre eine gelungene Rache für Lina. Ich hab dir ja gesagt, das Mädchen ist gerissen. Ihre Brüder im Übrigen auch, aber sie haben alle eine Macke.«
    Sie waren auf der höchsten Erhebung von Ordebec angekommen, von wo man das Städtchen und die umliegenden Felder überschauen konnte. Der Capitaine wies mit dem Arm auf einen Punkt im Osten.
    »Das Haus der Vendermots«, so erklärte er. »Die

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