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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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bei all deinem Ärger.«
    »Du meinst, ich hätte Ärger?«
    »Aber sicher,
hombre

    Adamsberg missachtete Lucios Ankündigungen nie, und so wartete er im Garten, bis der alte Spanier mit zwei gekühlten Bieren zurückkam. Ihm schien, dass durch Lucios ständiges An-den-Baum-Pinkeln das Gras am Fuß der Buche bereits verkümmerte. Aber vielleicht kam es auch von der Hitze.
    Der Alte öffnete die beiden Flaschen – Dosenbier gab’s nicht bei ihm – und reichte ihm eine davon.
    »Zwei Typen schnüffeln rum«, sagte Lucio zwischen zwei Schlucken.
    »Hier?«
    »Ja. Tun so, als ob nichts wäre. Als wären sie zwei Typen, die einfach so die Straße langgehen. Aber je mehr du nach nichts aussiehst, desto mehr siehst du nach was aus. Scheißschnüffler eben. Scheißschnüffler laufen nie mit dem Blick nach vorn oder den Kopf gesenkt, wie alle Leute. Sie haben ihre Augen überall, als würden sie durch eine Straße mit lauter Sehenswürdigkeiten spazieren. Dabei ist unsere Straße doch überhaupt nicht touristisch, oder,
hombre

    »Nein.«
    »Es sind Scheißschnüffler, und es ist dein Haus, das sie interessierte.«
    »Objektbeobachtung.«
    »Und um das Kommen und Gehen deines Sohnes zu notieren, vielleicht, um in Erfahrung zu bringen, wann keiner zu Hause ist.«
    »Scheißschnüffler«, murmelte Adamsberg. »Solche Typen enden eines Tages mit Brotkrume im Hals.«
    »Warum willst du sie mit Brotkrume ersticken?«
    Adamsberg breitete die Arme aus.
    »Dann werd ich’s dir sagen«, fuhr Lucio fort. »Wenn solche Scheißschnüffler versuchen, bei dir reinzukommen, dann, weil du Probleme hast.«
    Adamsberg blies über den Flaschenhals, um jenes kleine Tuten hervorzubringen – was mit einer Dose nicht ging, wie Lucio zu Recht bemerkte –, und setzte sich auf die alte Holzkiste, die sein Nachbar unter die Buche gestellt hatte.
    »Hast du Mist gebaut,
hombre

    »Nein.«
    »Mit wem legst du dich an?«
    »Verbotenes Terrain.«
    »Sehr unklug,
amigo
. Wenn du etwas oder jemanden in Sicherheit bringen willst, weißt du ja, wo mein Zweitschlüssel liegt.«
    »Ja. Unter dem mit Splitt gefüllten Eimer hinterm Schuppen.«
    »Du solltest ihn besser in deine Tasche stecken. Aber mach, was du für richtig hältst,
hombre «
, sagte Lucio und entfernte sich.
     
    Der Tisch war auf dem von Hellebaud beschmutzten Plastiktuch gedeckt, Zerk und Momo warteten mit dem Abendessen auf Adamsberg. Zerk hatte Pasta gekocht, mit Thunfischstückchen in Tomatensoße, eine Variante vom Reis mit Thunfisch und Tomaten, den er ein paar Tage zuvor servierthatte. Adamsberg überlegte, ob er ihn bitten sollte, etwas mehr Abwechslung in die Speisekarte zu bringen, verwarf den Gedanken aber sofort wieder, es war müßig, einen unbekannten Sohn wegen so einer Thunfischsache kritisieren zu wollen. Schon gar nicht vor einem unbekannten Mo. Zerk legte kleine Brocken Fisch neben seinen Teller, und Hellebaud pickte wie besessen darin herum.
    »Es geht ihr ja schon viel, viel besser«, meinte Adamsberg.
    »Ja«, bestätigte Zerk.
    Adamsberg hatte Schweigen in einer Runde noch nie etwas ausgemacht, und er verspürte nicht das zwanghafte Bedürfnis, die Gesprächslücken um jeden Preis zu füllen. Da konnten die Engel durchs Zimmer kommen und gehen, so behauptete man, es kümmerte ihn nicht. Sein Sohn schien aus demselben Holz geschnitzt, und Mo war zu verschüchtert, um ein Gesprächsthema anzubieten. Doch er gehörte zu den Menschen, die solche Engel aus der Fassung brachten.
    »Sind Sie Diabolist?«, fragte er den Kommissar mit zaghafter Stimme.
    Adamsberg sah den jungen Mann an, ohne zu begreifen, während er mit langen Zähnen auf seinem Bissen herumkaute. Es gibt nichts Zäheres und Trockneres als gedünsteten Thunfisch, dachte er gerade, als Mo ihm diese Frage stellte.
    »Ich verstehe nicht, Mo.«
    »Spielen Sie gern Diabolo?«
    Adamsberg goss sich noch einmal etwas Tomatensoße über seine Nudeln und überlegte, dass Diabolist sein oder Diabolo spielen für die Jungs in der Cité von Mo so etwas wie »mit dem Teufel spielen« bedeuten musste.
    »Manchmal sind wir schon dazu gezwungen«, erwiderte er.
    »Aber als Profi spielen Sie nicht?«
    Adamsberg hielt im Kauen inne und trank einen Schluck Wasser.
    »Ich glaube, wir reden nicht von derselben Sache. Was verstehst du unter ›Diabolo‹?«
    »Das Spiel«, erklärte Mo und wurde rot. »Der Doppelkegel aus Hartgummi, den man mit zwei Stöcken über eine Schnur rollen lässt«, fügte er, die Bewegung des

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