Die Nacht des Zorns - Roman
Fotos von ihnen«, sagte Adamsberg und ließ ein paar Bilder in der Gruppe herumgehen. Sie sehen sich ziemlich ähnlich, der eine in Dick, der andere in Dünn. Sechzig und achtundfünfzig Jahre. Der Dünne ist der Ältere, Christian, wir nennen ihn Erlöser 1. Schönes silberfarbenes Haar, das er immer halblang trägt. Elegant, brillant, witzig, sehr teure Anzüge. Der kleine Untersetzte ist zurückhaltend, sehr viel nüchterner und hat kaum noch Haare. Das ist Christophe, genannt Erlöser 2. Der ausgebrannte Mercedes war seiner. Ein Weltmann auf der einen und ein Arbeitstier auf der anderen Seite. Was nicht heißt, dass der eine besser wäre als der andere. Wir wissen immer noch nicht, was sie am Abend des Brandanschlags gemacht haben, und genauso wenig, wer den Wagen fuhr.«
»Was geht hier eigentlich vor?«, fragte Retancourt. »Lassen wir Momo jetzt fallen?«
Adamsberg sah zu Retancourt hinüber und bemerkte schon wieder dieses unergründliche spöttische Misstrauen in ihrem Blick.
»Wir suchen Mo, Lieutenant, genau in diesem Augenblick und heute Abend noch mit Verstärkung. Aber wir haben ein Problem mit Schnürsenkeln.«
»Wann sind Sie darauf gekommen?«, fragte Noël, nachdem Adamsberg die Sache mit den falsch gebundenen Senkeln erläutert hatte.
»Heute Nacht«, log Adamsberg ungeniert.
»Warum haben Sie ihn dann gestern einen Schuh anziehen lassen?«
»Um seine Schuhgröße zu überprüfen.«
»Aha«, sagte Retancourt, und sie legte ihre gesammelte Skepsis in dieses eine Wort.
»Das beweist zwar nicht Momos Unschuld«, fuhr Adamsberg fort. »Aber es irritiert.«
»Sehr sogar«, pflichtete Noël ihm bei. »Sollte einer der beiden Christusse seinen Vater abgefackelt und Mo mit hineingezogen haben, gerät das Schiff ins Schlingern.«
»Das Schiff hat bereits ein Leck«, kommentierte Veyrenc. »
Kaum war man an Bord und die Segel gesetzt, / Als ein Riff unterm Kiel die Bordwand verletzt
.«
Seit seiner gerade erfolgten Wiedereinstellung hatte Lieutenant Veyrenc schon einige Dutzend von seinen fürchterlichen Versen abgelassen. Aber niemand schenkte ihnen mehr Beachtung, als wären sie ein ganz gewöhnliches akustisches Element, wie etwa Mercadets Schnarchtöne oder das Maunzen des Katers, das nun mal unvermeidlich zur Geräuschkulisse der Brigade dazugehörte.
»Wenn einer der beiden Christusse das getan haben sollte«, stellte Adamsberg klar, »– aber wir haben nicht gesagt, dass dem so ist, und wir glauben es auch nicht –, müssten sich in seinem Anzug noch Spuren von Benzindämpfen erhalten haben.«
»Die schwerer sind als Luft«, bestätigte Veyrenc.
»Ebenso in der Tasche oder dem Beutel, die er benutzt hat, um die Schuhe auszutauschen«, sagte Morel.
»Vielleicht sogar an seiner Türklinke, als er nach Hause kam«, ergänzte Noël.
»Oder an seinem Schlüssel.«
»Nicht, wenn er alles gesäubert hat«, wandte Veyrenc ein.
»Man muss herausfinden, ob einer der beiden einen Anzug entsorgt hat. Oder in die Reinigung hat bringen lassen.«
»In Klartext gesprochen, Kommissar«, bemerkte Retancourt, »verlangen Sie also von uns, die beiden Christusse zu beobachten, als handelte sich um Mörder, und bitten uns gleichzeitig, sie nicht als solche zu betrachten.«
»Genau«, bestätigte Adamsberg lächelnd. »Mo ist schuldig, und wir suchen ihn. Trotzdem verfolgen Sie die Christusse, als wären es Zecken.«
»Allein um der schönen Geste willen«, sagte Retancourt.
»Man braucht hin und wieder ein bisschen Schönheit in den Gesten. Ein wenig Ästhetik wird uns für die Razzia heute Abend in der Cité des Buttes entschädigen, die nichts Stilvolles haben wird. Retancourt und Noël übernehmen den älteren Sohn, Christian Erlöser 1. Morel und Veyrenc Christophe Erlöser 2. Behalten Sie diesen Code bei, ich bin auf Empfang.«
»Dazu brauchen wir die Leute von zwei Nachtschichten.«
»Das werden Froissy, die sich um die Kugelmikrofone kümmert, Lamarre, Mordent und Justin sein. Die Fahrzeuge sollten in ausreichendem Abstand geparkt sein. Das Palais wird bewacht.«
»Und wenn sie uns bemerken?«
Adamsberg überlegte einen Augenblick, dann schüttelte er machtlos den Kopf.
»Also werden sie uns nicht bemerken«, schloss Veyrenc.
17
Sein Nachbar Lucio hielt ihn an, als er den kleinen Garten durchquerte, um zu seinem Haus zu gelangen.
»Hola, hombre«
, grüßte der alte Mann.
»
Hola,
Lucio.«
»Ein kühles Bier wird dir guttun bei der Hitze.«
»Nicht jetzt, Lucio.«
»Und auch
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