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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Adamsberg.
    »Die kleine Vendermot und der Capitaine Émeri. Aber sie bleibt starr wie ein Brett. Klinisch gesehen, müsste sie Lebenszeichen von sich geben. Aber nichts. Sie liegt nicht mehr im Koma, das innere Hämatom hat sich recht gut zurückgebildet, das Herz arbeitet zufriedenstellend, obwohl es von den Zigarren etwas geschwächt ist. Sie ist in der physischen Verfassung, die Augen aufzumachen, mit uns zu reden. Aber nichts passiert, und schlimmer noch, ihre Körpertemperatur ist zu niedrig. Man könnte meinen, die Maschine ist in eine Art Winterstarre gefallen. Und ich kann den Defekt nicht finden.«
    »Kann sie lange so daliegen?«
    »Nein. In ihrem Alter, ohne sich zu bewegen noch Nahrung aufzunehmen, hält sie das nicht durch. Eine Angelegenheit von wenigen Tagen.«
    Der Arzt beobachtete mit kritischem Auge Adamsbergs Hände auf dem Gesicht der alten Léone.
    »Rütteln Sie nicht an ihrem Kopf«, sagte er.
    »Léo«, wiederholte Adamsberg, »Ich bin es. Ich bin da, und ich bleibe da. Ich werde mich in Ihrer Herberge einquartieren, mit einigen meiner Leute. Gestatten Sie mir das? Wir bringen auch nichts durcheinander.«
    Adamsberg nahm einen Kamm vom Nachttisch, und eine Hand immer noch auf ihrem Gesicht, begann er sie zu frisieren. Danglard setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum, er richtete sich auf eine lange Sitzung ein. Adamsberg würde die alte Dame nicht so leicht aufgeben. Achselzuckend verließ der Arzt das Zimmer, doch nach eineinhalb Stunden kam er wieder, beeindruckt, mit welcher Beharrlichkeit dieser Polizist sich mühte, Léone ins Leben zurückzuholen. Auch Danglard beobachtete Adamsberg, der unaufhörlich weiterredete und dessen Gesicht jenes Leuchten angenommen hatte, das er aus einigen seltenen Momenten der Konzentration gut an ihm kannte, so als hätte der Kommissar eine Lampe verschluckt, die unter seiner olivbraunen Haut ihr Licht aussandte.
    Ohne sich umzudrehen, streckte Adamsberg eine Hand gegen den Arzt aus, um jedes Eingreifen zu verhindern. Léones Wange unter seiner Hand war noch immer genauso kalt, aber ihre Lippen hatten sich bewegt. Er bedeutete Danglard, näher zu kommen. Und wieder eine Lippenbewegung, dann ein Laut.
    »Danglard, haben Sie auch ein ›Hello‹ gehört? Sie hat doch ›Hello‹ gesagt, nicht wahr?«
    »Es hörte sich so an.«
    »Das ist ihre Art zu grüßen. Hello, Léo. Ich bin’s.«
    »Hello«, wiederholte die Frau nun deutlicher,
    Adamsberg umschloss mit den Fingern ihre Hand, schüttelte sie ein wenig.
    »Hello. Ich höre Sie, Léo.«
    »Flem.«
    »Flem geht es gut, er ist bei Brigadier Blériot.«
    »Flem.«
    »Es geht ihm gut. Er wartet auf Sie.«
    »Zucker.«
    »Ja, der Brigadier gibt ihm jeden Tag welchen«, versicherte Adamsberg, obwohl er keine Ahnung hatte. »Er hat es sehr gut bei ihm, er wird gut behandelt.«
    »Hello«, sagte die Frau noch einmal.
    Das war alles. Ihre Lippen schlossen sich wieder, Adamsberg begriff, dass sie am Ende ihrer Kräfte angekommen war.
    »Mein Kompliment«, sagte der Arzt.
    »Gern geschehen«, erwiderte Adamsberg gedankenlos. »Würden Sie mich anrufen, sobald sie das geringste Bedürfnis erkennen lässt, zu sprechen?«
    »Lassen Sie mir Ihre Karte da, und machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen. Das war vielleicht ihr letztes Aufflackern.«
    »Sie hören nicht auf, Doktor, sie vor der Zeit zu begraben«, sagte Adamsberg, während er zur Tür ging. »Sie haben es doch wohl nicht eilig, oder?«
    »Ich bin Geriater, ich kenne mein Metier«, antwortete der Arzt mit verkniffenem Mund.
    Adamsberg notierte sich den Namen, der auf seinem Anstecker stand – Jacques Merlan –, und verließ die Einrichtung. Schweigend ging er zum Auto und übergab Danglard das Steuer.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Danglard und startete.
    »Ich mag diesen Arzt nicht.«
    »Er hat eine Entschuldigung. Es muss nicht besonders lustig sein, Merlan zu heißen.«
    »Das passt sehr gut zu ihm. Nicht viel mehr Gefühl als ein Schwarm Fische.«
    »Sie haben mir nicht gesagt, wohin wir fahren«, meinteDanglard, der aufs Geratewohl durch die Gassen des Städtchens kurvte.
    »Sie haben sie gesehen, Danglard. Wie ein Ei, das man auf den Boden geworfen und zertreten hat.«
    »Ja, Sie sagten es.«
    »Wir fahren zu ihr, zur alten Herberge. Biegen Sie dort rechts ab.«
    »Seltsam, dass sie ›Hello‹ sagt statt ›Guten Tag‹.«
    »Das ist Englisch.«
    »Ich weiß«, sagte Danglard ohne jeden weiteren Kommentar.
    Die Gendarmen von Ordebec waren

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