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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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inhaftiert sind. Ich bitte um Entschuldigung.«
    »Was soll ich Ihnen sagen, mein Lieber? Ich kann mich vor Arbeit nicht retten. Da sind die Behandlungen des Direktors – eine sehr böse, schon lange währende Lumbalgie –, dann der Gefangenen – psychische Somatisationen und Kindheitstraumata in Reinkultur, Fälle, die mich geradezu passionieren, ich geb’s zu – und auch der Wärter – viele Suchtprobleme, viel unterdrückte Gewalt. Ich nehme nicht mehr als fünf Patienten pro Tag, darin bin ich eisern. Selbstverständlich lasse ich mich nicht dafür bezahlen, dazu bin ich nicht berechtigt. Aber, nun ja, ich werde in anderer Weise hinlänglich entschädigt. Sonderzelle, Vorzugsbehandlung, Wunschessen, Bücher nach Gusto, ich kann mich nicht beklagen. Mit all den Fällen, die ich dort vor mir habe, schreibe ich an einem ziemlich fesselnden Buch über Traumata in der Haft. Erzählen Sie mir von Ihrer Kranken. Vorfall? Diagnose?«
    Adamsberg unterhielt sich eine Viertelstunde mit dem Arzt im Untergeschoss, dann ging er mit ihm in den erstenStock hinauf, wo Capitaine Émeri, Dr. Merlan, der Graf von Valleray und Lina Vendermot vor Léos Zimmertür warteten. Er stellte ihnen Dr. Paul Hellebaud vor, und einer der Wärter nahm ihm mit sichtlichem Respekt die Handschellen ab.
    »Diesen Wärter«, murmelte der Arzt Adamsberg ins Ohr, »habe ich ins Leben zurückgeholt. Er war impotent geworden. Der arme Kerl war buchstäblich vernichtet. Heute bringt er mir jeden Morgen den Kaffee ans Bett. Wer ist diese stattliche Person da, die so überaus appetitlich aussieht?«
    »Lina Vendermot. Sie hat den Funken ins Pulverfass geworfen, durch sie ist der erste Mord ausgelöst worden.«
    »Eine Mörderin?«, fragte er und warf ihr einen überraschten und missbilligenden Blick zu, wobei er zu vergessen schien, dass er selbst ein Mörder war.
    »Das wissen wir nicht. Sie hatte eine unheilvolle Vision, die hat sie weitererzählt, und damit hat alles angefangen.«
    »Was für eine Vision?«
    »Das ist eine alte Lokallegende, ein gewisses Wütendes Heer, das hier seit Jahrhunderten durchzieht, ein Heer von Halbtoten, das Lebende mit sich reißt, die sich schuldig gemacht haben.«
    »Die Mesnie Hellequin?«, fragte der Arzt lebhaft.
    »Genau. Die kennen Sie?«
    »Wer hat nicht von ihr gehört, mein Freund? Also reitet der alte Seigneur hier durch die Gegend?«
    »Drei Kilometer von hier entfernt.«
    »Herrlicher Hintergrund«, sagte der Arzt begeistert und rieb sich die Hände, eine Geste, die Adamsberg an den Abend erinnerte, als der Doktor für ihn einen sehr edlen Wein aus dem Schrank geholt hatte.
    »War die alte Dame unter den Ergriffenen?«
    »Nein, aber es heißt, sie wusste etwas.«
    Als der Arzt an das Bett trat und Léone ansah, die nach wie vor zu bleich und zu kalt war, erlosch sein Lächelnaugenblicklich, und Adamsberg musste sich in den Nacken fassen, wo die Kugel wieder mal knisterte.
    »Schmerzen im Nacken?«, fragte der Arzt ihn leise, ohne Léone aus den Augen zu lassen, so als würde er einen Arbeitsplan studieren.
    »Oh, nichts weiter. Nur ein bisschen geballte Elektrizität, die mich da von Zeit zu Zeit nervt.«
    »So was gibt’s nicht«, meinte der Arzt verächtlich. »Wir sehen uns das nachher mal an, der Fall Ihrer alten Dame hier ist wesentlich brisanter.«
    Er bat die vier Bewacher, bis zur Wand zurückzutreten, und gebot ihnen Schweigen. Merlan glaubte sein Idiotenimage noch unterstreichen zu müssen, indem er eine argwöhnische und betont amüsierte Miene aufsetzte. Émeri erstarrte fast in Habachtstellung wie für eine kaiserliche Parade, und der Graf, dem man einen Stuhl hinschob, hielt seine Hände fest, dass sie nicht zitterten. Lina stand hinter ihm. Adamsberg presste sein vibrierendes Telefon in der Hand, das Geheimtelefon 2, und warf einen Blick auf das Display.
Sie sind da. Durchsuchen Léos Haus. LVB.
Diskret zeigte er die Nachricht Danglard.
    Sollen sie nur suchen, sagte er sich und dachte voll Dankbarkeit an Lieutenant Veyrenc.
    Der Arzt hatte seine mächtigen Hände auf Léones Schädel gelegt, in den er lange hineinzuhorchen schien, ließ sie dann über den Hals gleiten und den Brustkorb. Schweigend lief er um das Bett herum und nahm ihre mageren Füße in seine Finger, befühlte sie, machte sich an ihnen mit Unterbrechungen mehrere Minuten lang zu schaffen. Dann kam er zu Adamsberg zurück.
    »Alles ist tot, Adamsberg, vollkommen flach. Sicherungen durchgebrannt, Fascia mediastinalis und

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