Die Nacht des Zorns - Roman
kurzen Zündschnüre verwendet, um Autos abzufackeln. Das macht das Spielchen noch spannender.«
»Nein, er heißt so, weil er sich jedes Mal dabei die Haare ansengt. Hinterher schneidet er sie kurz, damit man’s nicht sieht.«
»Gut, Armel«, sagte Veyrenc, »aber wir haben es eilig. Wo hast du ihn versteckt, Jean-Baptiste? Weit weg?«
»Drei Kilometer von hier«, sagte Adamsberg etwas benommen. »Zwei, wenn man durch die Wälder fährt.«
»Wir fahren jetzt gleich. Während die Jungs ihr Zeug einpacken, bringen wir die Nummernschilder an und beseitigen die Fingerabdrücke.«
»Gerade jetzt, wo er angefangen hat zu zeichnen«, meinte Zerk.
»Und gerade jetzt, wo es so aussieht, als ob die Brüder Clermont aus dem Schneider sind«, meinte Adamsberg und drückte seine Zigarette mit dem Absatz aus.
»Und die Taube, was machen wir mit der Taube?«, fragte Zerk plötzlich aufgeregt.
»Du nimmst ihn mit nach Granada. So haben wir es doch besprochen.«
»Nein, die andere. Was machen wir mit Hellebaud?«
»Die lässt du uns hier. Sie könnte euch leicht verraten.«
»Man muss ihr noch immer alle drei Tage die Füße mit Desinfektionslösung behandeln. Versprich mir, dass du das tust, versprich, dass du daran denkst.«
Es war beinahe vier Uhr morgens, als Adamsberg und Veyrenc die Rücklichter des Wagens sich entfernen sahen, die Taube gurrte im Käfig zu ihren Füßen. Adamsberg hatte seinem Sohn eine volle Thermoskanne Kaffee mitgegeben.
»Ich hoffe, du hast ihn nicht umsonst losgeschickt«, sagte er leise. »Ich hoffe, sie steuern nicht geradewegs in ihr Unglück. Sie werden den Rest der Nacht und den ganzen Tag fahren müssen. Sie werden fix und fertig sein.«
»Sorgst du dich um Armel?«
»Ja.«
»Der schafft das.
Sehr kühn ist der Versuch, gewagt das Unternehmen, /Doch wird ein furchtlos Herz auch dieses Wagnis zähmen.
«
»Wie sind die auf den Verdacht mit Mo gekommen?«
»Du hast es zu schnell durchgezogen. Sehr gut gespielt, aber zu schnell.«
»Ich hatte keine Zeit, ich hatte keine Wahl.«
»Ich weiß. Aber du hast es auch im Alleingang gemacht.
Glaub nicht, du könntest allein ihr trotzen, der Gewalt, / Die Freunde, die du fliehst, sie waren dein einzig Halt.
Du hättest mich rufen sollen.«
26
Der Graf handelte noch in der Nacht und am frühen Morgen mit beeindruckender Durchschlagskraft, seiner Zuneigung für die alte Léone gemäß, denn der Arzt traf um 11 Uhr 30 in aller Diskretion im Krankenhaus von Ordebec ein. Valleray hatte den alten Richter um sechs Uhr morgens geweckt, seinen Befehl durchgestellt, und die Gefängnistore von Fleury hatten sich bereits um neun Uhr geöffnet, um den Konvoi passieren zu lassen, der den Gefangenen in die Normandie fuhr.
Zwei ganz gewöhnliche Autos fuhren auf den für das medizinische Personal reservierten Parkplatz, der von Passanten nicht eingesehen werden konnte. Eingerahmt von vier Männern und in Handschellen stieg der Arzt aus, dem Anschein nach wohlgenährt, ja sogar heiter, was Adamsberg etwas entspannte. Er hatte noch keinerlei Lebenszeichen von Zerk erhalten und nicht ein Wort von Retancourt. Zum ersten Mal kam ihm sein Torpedo Retancourt entschärft vor, kampfunfähig. Was möglicherweise die Hypothese des Grafen bestätigte. Wenn Retancourt nichts fand, dann, weil es nichts zu finden gab. Außer der Tatsache, dass Christian spät nach Hause gekommen war – und an diesen Punkt klammerte er sich –, erlaubte nichts, einen der beiden Brüder zu verdächtigen.
Der Arzt kam mit seinem watschelnden Gang auf ihn zu, gepflegte Erscheinung, gut gekleidet. Er hatte nicht ein Gramm während der Haft verloren, ja vielleicht sogar noch ein wenig zugelegt.
»Vielen Dank für diesen kleinen Ausgang, Adamsberg«,sagte er und drückte ihm die Hand, »es tut gut, mal wieder Landluft zu atmen. Vor allem sprechen Sie mich vor den anderen nicht mit meinem Namen an, ich will ihn rein erhalten.«
»Wie also wollen wir sagen? Dr. Hellebaud? Wäre das was Passendes?«
»Vollkommen. Wie steht’s um Ihren Tinnitus? Ist er wiedergekehrt? Wenn ich daran denke, dass ich Ihnen ja nur zwei Behandlungen habe zukommen lassen können.« »Verschwunden, Doktor. Nur ab und zu noch ein leichtes Pfeifen im linken Ohr.«
»Sehr schön. Diese Kleinigkeit kriegen wir auch noch hin, bevor ich mit den Herren hier wieder verschwinde. Wie geht’s der kleinen Katze?«
»Bald abgestillt. Und das Gefängnis, Doktor? Ich hatte noch keine Zeit, Sie zu besuchen, seit Sie dort
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