Die Nacht des Zorns - Roman
warum nicht der Chauffeur sie nach Hause gefahren hat.«
»Der Chauffeur war in die Küche gebeten worden, und Christophe fand, dass er zu betrunken war, um zu fahren. Also verließ er die Soiree mit seinem Vater, sie gingen zu Fuß zum Wagen, der in der Rue Henri-Barbusse stand. Kaum saß er am Steuer, bemerkte er, dass er sein Mobiltelefon nicht mehr bei sich hatte. Er bat seinen Vater, auf ihn zu warten, und lief den Weg zurück. Er fand das Gerät auf dem Bürgersteig in der Rue du Val-de-Grâce. Als er um die Straßenecke bog, sah er den Wagen in Flammen stehen. Hören Sie, Adamsberg, Christophe war gut fünfhundert Meter von dem Mercedes entfernt, was zwei Zeugen bestätigen können. Er hat geschrien und ist losgerannt, und die Zeugen mit ihm. Christophe war es auch, der die Polizei gerufen hat.«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
»Seine Frau. Wir verstehen uns sehr gut – ich hatte sie seinerzeit ihrem späteren Mann vorgestellt. Christophe war völlig zerstört, entsetzt. Welcher Art auch immer das Verhältnis der beiden zueinander war, es ist kein Vergnügen, seinen Vater bei lebendigem Leib verbrennen zu sehen.«
»Ich verstehe«, sagte Adamsberg. »Und Christian?«
»Christian hatte die Gala schon früher verlassen, er war sehr angeheitert und wollte schlafen gehen.«
»Dennoch scheint er erst spät zu Hause eingetroffen zu sein.«
Der Graf kratzte sich eine Weile seinen kahlen Schädel.
»Ich verrate wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Christian hin und wieder eine andere Frau trifft, mehrere sogar, und dass er solche offiziellen Abendgesellschaften nutzt, um spät nach Hause zu kommen. Ich wiederhole es, die beiden Brüder waren in bester Laune. Christian hat getanzt, er hat eine glänzende Parodie des Baron de Salvin hingelegt, und selbst Christophe, der schwer aufzuheitern ist, hat sich eine Weile königlich amüsiert.«
»Herzliches Einvernehmen also, gelungener Abend.«
»Absolut. Ach übrigens, dort auf dem Kamin finden Sie einen Umschlag mit einem Dutzend Fotos von dem Abend, die Frau von Christophe hat sie mir geschickt. Sie versteht nicht, dass man sich in meinem Alter nicht mehr gern Fotos von sich ansieht. Schauen Sie sie sich an, dann bekommen Sie einen Eindruck von der Atmosphäre.«
Adamsberg betrachtete das Dutzend Fotos, und in der Tat, weder Christophe noch Christian hatten irgendetwas Angespanntes an sich, nichts jedenfalls von einem Typen, der gleich seinen Vater verbrennen wird.
»Ich sehe«, sagte Adamsberg und gab ihm die Aufnahmen zurück.
»Behalten Sie sie, wenn sie Sie überzeugen. Und beeilen Sie sich, den jungen Mann zu finden. Was ich leicht für Sie arrangieren könnte, wäre, bei den Brüdern Clermont eine Fristverlängerung für Sie zu erwirken.«
»Das erscheint mir notwendig«, sagte plötzlich Danglard, der immer noch die Galerie der Bilder entlangging wie eine Wespe, die von einem Tropfen Konfitüre zum nächsten fliegt. »Der junge Mo ist ungreifbar.«
»Irgendwann wird er schließlich Geld brauchen«, meinteAdamsberg achselzuckend. »Er ist ohne einen Cent in der Tasche weg. Die Hilfe seiner Freunde wird auch nur eine Zeit währen.«
»Hilfe währt immer nur eine Zeit«, murmelte Danglard, »nur die Feigheit währt ewig. Nach diesem Prinzip fasst man die Flüchtigen am Ende fast immer. Vorausgesetzt, man hat nicht die Schwertspitze des Ministeriums im Nacken. Das behindert einen in den Bewegungen.«
»Ich habe verstanden«, sagte der Graf und stand auf. »Sehen wir also zu, dass dieses Schwert verschwindet.«
Als wenn es darum ginge, dachte Danglard, Arbeitersohn aus dem Departement Nord, nur einen Stuhl beiseitezuschieben, um sich besser bewegen zu können. Er zweifelte nicht daran, dass es dem Grafen gelingen würde.
25
Veyrenc erwartete sie mit Zerk vor der Tür von Léos Herberge. Der Abend war lau, die Wolken hatten sich schließlich verzogen, um sich woanders abzuregnen. Die beiden Männer hatten Stühle nach draußen getragen und rauchten in der Nacht. Veyrenc sah gelassen aus, aber Adamsberg traute dem Frieden nicht. Das sehr römische Gesicht des Lieutenant, rund, kraftvoll und in sich ruhend, mit weichen Linien gezeichnet ohne eine erkennbare Unebenheit, war eine kompakte Masse aus lautlosem Handeln und Hartnäckigkeit. Danglard gab ihm kurz die Hand, verschwand dann aber im Haus. Es war nach ein Uhr morgens.
»Machen wir eine Runde über die Felder«, schlug Veyrenc vor. »Lass deine Telefone hier.«
»Du willst sehen, wie die Kühe
Weitere Kostenlose Bücher