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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Mo.«
    »Vielleicht sollten wir jetzt besser ein Stündchen schlafen.«
    Mo hatte den Eindruck, dass Zerks Stimme ein bisschen heiser geworden war. Sei es wegen des Vaters, sei es vor Müdigkeit. Jeder drückte sich in eine Wagenecke und suchte eine geeignete Schlafposition.
    »Zerk?«
    »Ja?«
    »Eins kann ich trotzdem als kleine Gegenleistung für deinen Vater tun.«
    »Den Mörder von Clermont finden?«
    »Nein, aber den, der Hellebaud die Beine zusammengebunden hat.«
    »Den Drecksbengel.«
    »Ja.«
    »Nicht schlecht. Aber den wirst du nicht finden.«
    »Der Erdbeerkorb bei euch auf der Anrichte, in dem noch ein paar Federn lagen, habt ihr darin Hellebaud transportiert?«
    »Ja, und?«
    »Die Schnur, die da drin lag, waren damit seine Beine zusammengebunden?«
    »Ja, mein Vater hatte sie für die Analyse aufgehoben. Was ist damit?«
    »Also, das ist eine Diabolo-Schnur.«
    Zerk richtete sich auf, zündete sich eine Zigarette an, gab auch Mo eine und kurbelte das Fenster herunter.
    »Woher weißt du das, Mo?«
    »Man verwendet Spezialschnüre, über die das Diabolo gleitet. Eine gewöhnliche Schnur nutzt sich ab, verdreht sich, und das Ding kommt ins Trudeln.«
    »Die gleichen wie für Jo-Jo?«
    »O nein. Das Diabolo strapaziert die Schnur vor allem in der Mitte, es zerreibt sie sogar regelrecht, deswegen braucht man dafür einen verstärkten Nylonfaden.«
    »Na gut, und weiter?«
    »So was findet man nicht überall. So was kauft man in Diabolo-Läden. Und davon gibt’s nicht viele in Paris.«
    »Selbst wenn«, meinte Zerk nach einem Augenblick des Nachdenkens, »selbst wenn wir diese Läden beobachten würden, könnten wir nicht rauskriegen, wer von den Käufern damit die Taube gefoltert hat.«
    »Es gibt eine Möglichkeit«, beharrte Mo. »Diese Schnur war keine Profischnur. Ich glaube nicht, dass ihre Seele geflochten ist.«
    »Ihre Seele?«
    »Ihr Herz, ihre Mitte. Die Profis nehmen teurere Schnüre, die auf Rollen zu zehn oder zu fünfundzwanzig Metern verkauft werden. Aber die hier nicht. Die wird zusammen mit dem Diabolo und den Stöcken im Paket verkauft.«
    »Und weiter?«
    »Sie sah überhaupt nicht abgenutzt aus. Vielleicht könnten die Leute, die mit deinem Vater arbeiten, das mit einer Lupe erkennen?«
    »Oder einem Mikroskop«, bestätigte Zerk. »Und was bedeutet das, wenn sie neu ist?«
    »Na, warum sollte der Drecksbengel die neue Schnur von seinem Diabolo versauen? Warum nimmt er die und nicht eine einfache Paketschnur?«
    »Weil es bei ihm zu Hause jede Menge davon gibt?«
    »Genau. Sein Alter hat einen Diabolo-Laden. Der Rotzlöffel hat sich ein Stück von einer großen Rolle abgeschnitten, ein neues Stück, und er hat die billigste Schnur genommen. Folglich ist sein Vater Großhändler oder Zwischenhändler und verkauft seine Schnur an die Leute, die die Diabolo-Fertigsätze herstellen. Und an Großhändlern gibt es in Paris vielleicht nur einen. Vermutlich befindet sich sein Laden sogar in der Nähe des Kommissariats, denn Hellebaud hat danach bestimmt nicht mehr kilometerweit hüpfen können.«
    Zerk rauchte mit halbgeschlossenen Augen und beobachtete Mo.
    »Hast du lange darüber nachgedacht?«, fragte er.
    »Ja, ich hatte in dem leeren Haus viel Zeit dafür. Findest du, dass das Quatsch ist?«
    »Ich finde, dass wir, sobald wir ins Internet können, die Adresse von dem Laden und den Familiennamen des Drecksbengels herauskriegen sollten.«
    »Aber wir können nicht ins Internet.«
    »Nein, wir sind vielleicht für Jahre auf der Flucht. Es seidenn, du findest auch den Dreckskerl, der dir die Füße zusammengebunden hat.«
    »In der Größenordnung können wir nicht kämpfen. Die Clermonts, die sind das ganze Land.«
    »Mehrere Länder sogar.«

28
    Im Krankenhausflur hatte die Unruhe die einfachsten Formen der Höflichkeit vergessen lassen, niemand redete mit einem andern. Lina überlief ein Schauer, ihr Schal glitt wieder einmal auf den Boden. Danglard war schneller als Adamsberg, mit zwei seiner ungelenken großen Schritte war er hinter ihr und legte ihn ihr über die Schultern, mit etwas altväterlicher Bedächtigkeit und Sorgfalt.
    Auch schon verstrahlt, dachte Adamsberg, während Émeri, die blonden Brauen gerunzelt, die Szene zu missbilligen schien. Alle verstrahlt, schloss Adamsberg. Alle in ihrer Hand, sie erzählt, was sie will, sie angelt sich, wen sie will.
    Dann kehrten die Blicke in ihre gehabte Position zurück, sie richteten sich wieder auf die geschlossene Zimmertür, in der

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