Die Nacht des Zorns - Roman
gut es ging, weggekratzt hatten, aber es waren immer noch Spuren davon zu sehen. Er hatte Veyrenc gefragt, ob er das Geheimnis der phänomenalen Hartnäckigkeit von Vogelschiss kenne, aber Veyrenc wusste auch nicht mehr darüber als er.
27
Die beiden jungen Leute hatten sich am Steuer abgelöst, so dass abwechselnd jeder mal ein wenig schlafen konnte, Mo hatte kurzgeschnittene Haare und trug eine Brille und ein Bärtchen, eine recht pauschale Veränderung, aber doch beruhigend, denn so sah er auf dem Foto des neuen Personalausweises aus, den Veyrenc mitgebracht hatte. Mo war fasziniert von diesem falschen Dokument, er drehte es bewundernd in alle Richtungen und sagte sich, dass in Ungesetzlichkeiten von hohem Niveau die Bullen doch um einiges gewitzter waren als seine Amateurbande in der Cité des Buttes. Zerk hatte nur Straßen ohne Maut genommen, und auf ihre erste Sperre stießen sie auf der Umgehungsschnellstraße von Saumur.
»Stell dich schlafend, Mo«, nuschelte er zwischen den Zähnen. »Wenn sie mich anhalten, weck ich dich, du kramst in deinen Sachen, holst deinen Ausweis raus. Tu wie einer, der nicht versteht, was los ist, der überhaupt nie groß was versteht. Denk an was ganz Einfaches, denk an Hellebaud, konzentrier dich auf ihn.«
»Oder auf die Kühe«, sagte Mo aufgeregt.
»Meinetwegen, und sprich nicht. Nick nur verschlafen mit dem Kopf.«
Zwei Gendarmen kamen langsam auf das Fahrzeug zu, wie zwei tödlich gelangweilte Typen, die erleichtert sind, endlich mal was in die Finger zu kriegen. Der eine ging mit seiner Stablampe gemächlich um den Wagen herum, der andere leuchtete den beiden Männern kurz ins Gesicht, während er sich ihre Papiere geben ließ.
»Die Nummernschilder sind neu«, bemerkte er.
»Ja«, sagte Zerk. »Ich habe sie vor zwei Wochen anbringen lassen.«
»Der Wagen ist sieben Jahre alt, und die Schilder sind neu.«
»Das ist Paris«, erklärte Zerk. »Stoßstangen vorn und hinten eingedrückt, Nummernschilder verbeult, ich habe sie auswechseln lassen.«
»Warum? Waren die Ziffern nicht mehr lesbar?«
»Das schon. Aber Sie wissen doch, Brigadier, wie es in dieser Stadt läuft, wenn Ihre Nummernschilder erst im Eimer sind, dann geniert sich beim Einparken niemand mehr, Ihnen auch noch ein paar Beulen reinzufahren.«
»Sie sind nicht aus Paris?«
»Aus den Pyrenäen.«
»Na, das ist auf jeden Fall besser als die Hauptstadt«, erwiderte der Gendarm mit einem Anflug von Lächeln, als er die Papiere zurückgab.
Sie fuhren schweigend ein paar Minuten, so lange, bis ihr Herzrhythmus sich wieder normalisiert hatte.
»Du warst spitze«, sagte Mo. »Ich wär auf so was nicht gekommen.«
»Wir müssen anhalten und die Nummernschilder ramponieren. Mit ein paar Fußtritten.«
»Und einem bisschen Ruß aus dem Auspuff.«
»Dabei werden wir einen Happen essen. Steck deinen Ausweis in die Hosentasche, damit er sich ein bisschen verbiegt. Wir sehen zu neu aus.«
Um elf Uhr vormittags passierten sie eine zweite Sperre bei Angoulême. Um vier Uhr nachmittags hielt Zerk auf einer Gebirgsstraße bei Laruns.
»Wir machen noch eine letzte Pause von einer Stunde, Mo, aber nicht länger. Wir müssen rüber.«
»Sind wir schon an der Grenze?«
»Fast. Wir fahren nach Spanien über die Passstraße amSocques. Und weißt du, was wir als Erstes machen? In der kleinen Herberge in Hoz de Jaca werden wir uns den Bauch vollschlagen und uns wie die Fürsten fühlen. Schlafen werden wir in Berdún. Und morgen Granada, zwölf Stunden Fahrt.«
»Und abschrubben werden wir uns auch mal. Ich habe den Eindruck, wir stinken.«
»Klar stinken wir. Und zwei Typen, die stinken, die fallen sofort auf.«
»Dein Vater wird meinetwegen hochgehen. Was denkst du, wie er das aufnehmen wird?«
»Weiß ich nicht«, sagte Zerk und trank ein paar Schlucke aus der Wasserflasche. »Ich kenne ihn nicht.«
»Wie?«, sagte Mo und griff nach der Flasche.
»Er hat mich gerade erst vor zwei Monaten gefunden.«
»Du bist ein Findelkind? Scheiße. Dabei siehst du ihm ähnlich.«
»Nein, ich meine, er hat mich gefunden, als ich schon achtundzwanzig war. Vorher wusste er nicht mal, dass es mich gibt.«
»Scheiße«, sagte Mo noch einmal und rieb sich die Wangen. »Mein Vater, der ist genau das Gegenteil. Er wusste, dass es mich gibt, aber er hat nie versucht, mich zu finden.«
»Meiner auch nicht. Ich bin ihm mehr oder weniger auf die Füße gefallen. Väter sind, glaube ich, was sehr Kompliziertes,
Weitere Kostenlose Bücher