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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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das?«
    »Weil unsere verschwunden ist. Das wollte ich sagen.«
    »Schau an«, sagte Émeri und lachte auf, »du kommst bis hierher, so zerbrechlich du bist, um uns zu sagen, mit welcher Waffe das Verbrechen verübt wurde? Das ist aber nett von dir, Antonin.«
    »Meine Mutter hat gesagt, es könnte von Nutzen sein.«
    »Hast du nicht eher Angst, dass es auf euch zurückfallen könnte? Es sei denn, du denkst, man wird die Waffe ohnehin finden, und dem kommst du lieber zuvor?«
    »Ganz ruhig, Émeri«, unterbrach ihn Adamsberg. »Wann haben Sie bemerkt, dass die Axt nicht mehr da war?«
    »Heute früh, doch bevor ich das mit Glayeux erfuhr. Ich selbst benutze sie nicht, das kann ich mir gar nicht erlauben. Aber ich habe gesehen, dass sie nicht mehr dort war, wo wir sie für gewöhnlich hinstellen, draußen gegen den Holzstapel gekeilt.«
    »So dass jeder sie sich nehmen könnte.«
    »Ja, aber das macht niemand.«
    »Hat sie irgendwas Besonderes, diese Axt? Etwas, woran man sie erkennen kann?«
    »Hippo hat ein V in den Schaft geritzt.«
    »Denken Sie, dass jemand sie benutzt hat, um den Verdacht auf Sie und Ihre Familie zu lenken?«
    »Schon möglich, aber was ich sagen will, ist, dass das nicht sehr schlau wäre. Wenn wir Glayeux hätten umbringen wollen, hätten wir doch nicht unsere eigene Axt dazu genommen, stimmt’s?«
    »Aber sicher wäre das schlau«, mischte Émeri sich ein. »Es wäre ein so plumper Fehler, dass ihr ihn nicht begangen haben könntet. Ihr schon gar nicht, ihr Vendermots, die ihr die ausgekochtesten Schlitzohren von Ordebec seid.«
    Antonin zuckte die Schultern.
    »Du kannst uns nicht leiden, Émeri, darum interessiert mich deine Meinung nicht. Vielleicht war dein Vorfahr auf dem Schlachtfeld ja besser, sogar wenn er zahlenmäßig unterlegen war.«
    »Misch dich nicht in meine Familie ein, Antonin.«
    »Aber du mischst dich in meine ein, das ist es, was ich sagen will. Was hast du eigentlich von deinem Ahn geerbt? Du rennst durchs Gelände und dem ersten Hasen hinterher, den du siehst. Ohne dich jemals umzuschauen nach dem, was sonst noch passiert, ohne dich jemals zu fragen, was die anderen denken. Außerdem bist du gar nicht mehr mit der Ermittlung betraut. Ich rede hier mit dem Kommissar aus Paris.«
    »Und da tust du gut dran«, erwiderte Émeri mit seinem angriffslustigen Grinsen. »Du siehst ja, wie erfolgreich er seit seiner Ankunft schon war.«
    »Das ist normal. Es braucht seine Zeit, herauszufinden, was die Leute denken.«
    Die Kriminaltechniker aus Lisieux betraten das Haus, und Antonin, von dem Geräusch in Unruhe versetzt, hob sein feines Gesicht.
    »Danglard bringt Sie nach Hause, Antonin«, sagte Adamsberg und stand auf. »Danke, dass Sie uns aufgesucht haben. Émeri, ich sehe dich heute Abend zum Essen, wenn du einverstanden bist. Ich mag schwelende Konflikte nicht. Nicht weil ich so tugendhaft wäre, sondern weil sie mich anöden, ob sie nun berechtigt sind oder nicht.«
    »Einverstanden«, sagte Émeri nach einem kurzen Moment. »An meinem Tisch?«
    »An deinem Tisch. Ich überlasse dich jetzt den Technikern. Behalt Mortembot so lange wie möglich in der Zelle, unter dem Vorwand eines Polizeigewahrsams. In der Gendarmerie ist er wenigstens außer Gefahr.«
    »Was hast du vor? Mittagessen gehen? Jemanden treffen?«
    »Laufen. Ich muss laufen.«
    »Was meinst du damit? Willst du was erkunden?«
    »Nein, ich will nur laufen. Weißt du, dass Dr. Hellebaud mir versichert hat, dass es die Elektrizitätskugeln nicht gibt?«
    »Aber was wäre es dann?«
    »Darüber reden wir heute Abend.«
    Alle schlechte Laune war aus dem Gesicht des Capitaine verschwunden. Brigadier Blériot hatte recht, es ging schnell vorüber, ein letztendlich sehr seltener Vorteil.

31
    Die Unruhe würde größer werden in Ordebec, Angst würde umgehen, das Suchen nach einer Antwort beginnen, das aber, so dachte Adamsberg, wohl eher in das Grauen vor dem Wütenden Heer umschlagen als sich gegen die Ohnmacht des Pariser Kommissars richten würde. Denn wer hier könnte sich ernsthaft vorstellen, dass ein Mensch, nicht mehr als ein Mensch, die Macht besäße, dem Seigneur Hellequin einen Strich durch die Rechnung zu machen? Dennoch wählte Adamsberg einen wenig begangenen Weg, auf dem ihm kaum jemand begegnen und ihn ausfragen würde, auch wenn die Normannen ja nicht sonderlich begabt waren für direkte Fragen. Was sie allerdings durch lange Blicke und bedeutungsschwere Anspielungen zu kompensieren wussten, die

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