Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
Waschmaschine.«
Amy hält noch die Jeans in der Hand, drückt stirnrunzelnd den Stoff. »Warum ist sie noch so nass? Du hast doch gleich nach dem Abendessen den Pyjama angezogen. Zieht es hier?«, fragt sie, geht zum Fenster und tastet den Rahmen ab, prüft danach, ob die Heizung läuft. »Frierst du nachts?«
»Aber nein. Hier ist es puttwarm.«
Doch als Amy ihren Blick auf die Dreckwäsche in meinen Armen richtet, legt sie die Stirn in noch tiefere Falten. »Wie kann es dann sein, dass die Hose …«
»Ich war heimlich draußen«, erkläre ich hastig. »Letzte Nacht.«
»Letzte Nacht?«, fragt Amy. »Ich habe nicht gehört, wie du durch den Flur gegangen bist.«
»Bin ich auch nicht«, erwidere ich und beeile mich zu sagen: »Ist nur so, dass ich abends und manchmal auch am frühen Morgen hinten im Garten nach etwas schaue. Nach Pilzen«, setze ich hinzu. »Da wachsen super Pilze. Jedenfalls waren sie bis vor kurzem da. Gibt tolle Sachen dort draußen. Und nachts wirkt alles so anders, wie verzaubert. Man findet sogar Brombeeren.«
»Ja, das sehe ich«, sagt Amy und lüpft eine Augenbraue, als sie einen herunterhängenden Ärmel hebt. Sie zeigt auf einen großen lila Fleck gleich unterhalb des Saums. »Du bleibst aber im Garten, Evie, oder? Ich kenne eine gute Brombeerstelle gleich vorn am Treidelpfad, aber du musst diesseits der Bäume bleiben – bitte!«
Ich zucke mit den Schultern, trete von einem Fuß auf den anderen.
»Mein Liebes«, sagt Amy und berührt mich am Arm. »Ich habe nichts dagegen, wenn du dich dreckig machst. Aber du darfst keine Erkältung riskieren, und deshalb halte ich es für keine gute Idee, irgendwelche Streifzüge zu unternehmen. Schon gar nicht nachts. Ich will dir keine Angst einjagen, denn dies hier ist eine ruhige Gegend, aber du solltest trotzdem vorsichtig sein. Man kann nie wissen, wer oder …«
Ich hake mich bei ihr unter, so dass sie mich umarmen kann. Dann lege ich einen Arm um ihre Taille und bugsiere sie behutsam zur Tür. Ich will die verräterische Wäsche so rasch wie möglich unten in die Maschine stecken, damit das Thema ein für alle Mal vom Tisch ist. »Ich verspreche dir, auf mich aufzupassen«, sage ich. »Mir wird schon nichts passieren – glaub mir.«
Amy seufzt. »Du hast dich gestern nach dem Abendessen wieder angezogen und bist rausgegangen, während ich im Bad war, richtig? Denn du kannst es weder vor dem Essen noch heute früh getan haben. Warum …« Sie verstummt mit einem weiteren Seufzer und drückt meine Schultern. »Ich mache mir viel zu viele Sorgen, nicht wahr, mein Liebes? Aber du weißt ja, dass ich das tue, weil ich nicht anders kann. Weil ich dich liebe.«
»Ja, das weiß ich«, erwidere ich und sehe lächelnd zu ihr auf. Ich bette meinen Kopf kurz auf ihre Schulter und trete dann zurück, damit sie vor mir die Treppe hinuntergehen kann. Wenn ich etwas trage, und sei es nur ein Taschentuch, will sie immer vorangehen, damit ich auf sie fallen kann, wenn ich stolpere.
Während Amy das Waschpulver bemisst, stopfe ich die Wäsche in die Maschine. »Amy«, sage ich und lasse meine Stimme ein klein wenig flehentlich klingen, damit sie weiß, dass ich um etwas bitte, das mir am Herzen liegt, »ich werde bald fünfzehn, und da dachte ich … Ich möchte ein bisschen unabhängiger sein, zumal es mir jetzt besser geht.«
»Ja. Gut«, sagt Amy, sieht aber verwirrt aus.
»Ich möchte meine eigene Wäsche machen. Die Kleider selbst waschen, meine ich.«
Amy runzelt die Stirn. »Aber ich bemuttere dich gern, mein Liebes. Wenn du mit dem Rad zu Phee fahren und gemeinsam mit ihr zur Schule gehen willst, dann hätte ich nichts dagegen, außer bei Regen, aber warum …«
Ich schlage die Luke der Waschmaschine etwas zu kräftig zu und bemerke, dass Amy erst zur Maschine und danach zu mir schaut, als würde sie sich fragen, warum mir so viel daran liegt.
»Ich möchte es einfach selbst tun«, sage ich, wobei ich eine gewisse Genervtheit in meine Stimme lege. »Ich kann mich besser strecken, weil die Rippen nicht mehr wehtun, und ich würde es gern selbst machen.«
Amys Brauen schießen nach oben, und sie blinzelt mich kurz an. Aber schließlich zuckt sie lächelnd mit den Schultern. »Wenn du unbedingt willst, mein Liebes. Aber glaub bitte nicht, dass es mir etwas ausmacht, wenn du es wieder anders haben möchtest. Wäschewaschen ist nicht gerade spannend.« Dann runzelt sie wieder die Stirn. »Ich hoffe nur, es hat nichts damit zu tun,
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