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Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Titel: Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexia Casale
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weitere Bonbons, dann noch mehr.
    Das reicht , sagt der Drache.
    Ich stecke die Pfefferminzbonbons in meine Innentasche. Das Pferd schnaubt enttäuscht, lässt aber zu, dass ich Kopf und Rücken streichele. Ich darf mich sogar gegen seine warme Flanke lehnen.
    Als der Regen nachlässt, bemerke ich, dass sein Fell zu dampfen beginnt. Dann machen alle Pferde wie auf ein Kommando kehrt und preschen in die Dunkelheit.
    Und ich renne hinterher. Ich renne, ohne außer Puste zu sein. Ich renne, ohne dass ich Schmerzen hätte. Ich fühle mich federleicht und blitzschnell. Als würde ich mit dem Drachen fliegen. Als wäre ich so stark wie der Wind. Als könnte mich nichts aufhalten, solange ich mich im Schutz der Dunkelheit bewege.
    Mit jedem Atemzug schwinden Wut und Verletztheit, die mich wegen Paul und Onkel Ben erfüllt haben, etwas mehr, lösen sich auf in der Nacht. Die kalte, klare Luft des Marschlandes erfüllt mich mit Ruhe und Gelassenheit.
    So renne ich weiter, zurück zum Weg am Kanal, zurück nach Hause. Als ich die Bäume am Rand des Gartens erreicht habe, bleibe ich stehen, um den Mond zu betrachten. Schließlich biege ich nach links ab und gehe unentdeckt weiter, bis ich den Stadtrand erreiche, bis sich das Marschland endlos weit und leer vor mir ausbreitet. Die Schleuse ist still. Der Kanal ist eine pfeilgerade silberne Schnur, die sich in der Ferne verliert. Hier herrscht Ruhe. Die Langboote werden über Winter in Cambridge gelagert. Der Fluss gehört mir ganz allein.
    Ich halte an, atme die mitternächtliche Luft tief ein und betrachte den Kanal.
    Das ist weit genug , sagt der Drache.
    Ich mache mich lächelnd auf den Heimweg.
    »Ich habe zwei neue Ziele«, verkünde ich Miss Winters, noch bevor sie sich gesetzt hat.
    »Ach, wirklich?«, sagt sie überrascht.
    »Ich möchte Reiten lernen. Ich möchte alles über Pferde wissen«, sage ich.
    »Ach, wirklich?«, wiederholt die verdutzt blinzelnde Miss Winters. »Ich wusste gar nicht, dass du Pferde magst.«
    »Ich auch nicht. Das ist mir erst gestern bewusst geworden.«
    »Wie das?«, fragt Miss Winters, die so überrascht ist, dass sie immer noch auf der Stuhlkante sitzt.
    Ich ertappe mich bei der Frage, ob sie vom Stuhl fällt, wenn ich ihr mein zweites Ziel nenne. »Ich habe Pferde gesehen und … und da habe ich plötzlich begriffen, dass ich gern reiten würde«, sage ich.
    »Hast du schon mit Amy und Paul gesprochen?«
    Ich ziehe die Nase kraus. »Amy meint, wir müssten erst den Segen von Dr. Barstow bekommen, wegen meiner Rippen … Oder wenigstens erfahren, wie lange ich noch warten muss, bevor ich auf ein Pferd steigen kann. Aber wir haben in den gelben Seiten schon nach Reitmöglichkeiten gesucht. Ich weiß also genau, an wen ich mich wenden muss, sobald Dr. Barstow grünes Licht gegeben hat. Paul meint, das Reiten wäre gut für den Muskelaufbau, und Amy sagt, ich könnte so neue Freundschaften schließen, aber Phee will auf jeden Fall mitmachen. Wir werden also etwas zu zweit unternehmen, so wie Phee und Lynne beim Duke-of-Edinburgh-Wettkampf. Ich radele natürlich mit Phee zur Schule, aber das liegt nur daran, dass Lynne weiter weg wohnt. Das ist irgendwie praktisch, könnte man sagen, und deshalb zählt es nicht. Aber gemeinsam zum Reiten zu gehen … Das ist eine echte Entscheidung.« Und etwas Besonderes, füge ich insgeheim hinzu und überhöre Miss Winters’ nächste Worte, weil ich so in diesem Gedanken schwelge.
    »… Und du könntest dir viele kleinere Ziele hinsichtlich der diversen Aspekte des Reitens setzen«, sagt Miss Winters anerkennend, als ich wieder hinhöre. »Sehr gut. Ich bin beeindruckt, Evie. Und das zweite Ziel?«
    »Tja, Onkel Ben braucht eine Frau, die ihn liebt. Ich glaube nicht, dass er jemals ausgeht. Und er sollte wieder heiraten, denn Kinder würden ihm guttun. Eigene Kinder, meine ich. Nicht nur ich.«
    Miss Winters lächelt, runzelt aber gleichzeitig die Stirn. »Ja, das ist ein guter Gedanke, Evie, aber kein Ziel für dich, sondern eines für deinen Onkel Ben.«
    »Nein«, widerspreche ich. »Onkel Ben ist da viel zu passiv. Er braucht meine Hilfe. Er scheint nicht einmal zu erwägen, eine Frau kennenzulernen, die ihn versteht und begreift, was er durchlitten hat. Wie soll er da der Richtigen begegnen? Von nichts kommt nichts.«
    »Evie …«, sagt Miss Winters mit einem warnenden Unterton, und ich fühle mich versucht, die Augen zu verdrehen. »Es ist toll von dir, Evie, dass du deinem Onkel helfen

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