Die Nacht Hat Viele Augen -1-
wirkte gehetzt.
»Ich möchte nicht, dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird.« Victor sprach klar und sehr deutlich. »Weder durch deine Hand noch durch die von irgendjemand anderem. Wenn du versagst, werde ich dich vernichten. Hast du das verstanden?«
Riggs verzog das Gesicht. »Du bist wirklich völlig verrückt geworden, Victor. Warum tust du das? Dieses Mädchen kann uns beide ruinieren!«
»Weil dieses Mädchen zehnmal so viel wert ist wie du, du mieses kleines Stück Scheiße. Jetzt geh mir aus den Augen. Ich ertrage es nicht, dich noch eine Sekunde länger sehen zu müssen.«
Riggs zuckte zusammen und fletschte unwillkürlich die Zähne. Der mörderische Hass zwischen den beiden Männern fuhr wie ein Lichtblitz durch den halbdunklen Raum, so sichtbar, als hätten sie beide ihre Schwerter gezogen.
»Du hasst mich dafür, dass ich Peter erledigt hab, nicht wahr? Du hattest nicht genug Mumm, um es selbst zu tun, du arroganter Idiot. Und jetzt hasst du mich dafür, dass ich deine Drecksarbeit erledigt habe.«
Victors Nasenlöcher blähten sich vor Ekel. Der Mann stank nach Ruin, Verfall und einem gewaltsamen frühen Tod.
»Fordere mich nicht heraus, Edward«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähen hervor. »Ich bin mit meiner Geduld am Ende.«
Riggs’ Lippen zuckten. »Erinnere dich, was du über Verrat und Selbsthass gesagt hast. Sieh mal in den Spiegel, Victor. Wenn du mich anspuckst, spuckst du dir selbst ins Gesicht.«
»Halt die Klappe und tu, was man dir sagt. Verschwinde!«
Victor lauschte, während der Mann davonpolterte. Er ballte die Fäuste und hatte Mühe, nicht hinter Riggs herzustürmen und ihn ein für alle Mal von seinem Elend zu erlösen. Im Dunkeln, von hinten, wie er es verdiente.
Ja, es war mehr als Zeit, dass er sich ein passendes Abschiedsgeschenk für Edward Riggs überlegte. Irgendetwas Besonderes, um sich bei ihm für all die Jahre, in denen er ihm treu zu Diensten war, zu revanchieren. Seit er seine Hände mit Peters Blut besudelt hatte, war er ohnehin nur noch ein lebender Toter gewesen. Allerdings war Riggs’ Leben auch vorher nichts wert gewesen. Victor hatte ihn bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht, bevor das Urteil vollstreckt wurde. Spare in der Zeit, so hast du in der Not.
Er wusste, es war scheinheilig. Die Anweisung, seinen jüngeren Bruder zu töten, war schließlich von ihm selbst gekommen. Aber Victor hatte Peter alle Chancen gegeben. Er hatte vernünftig mit ihm geredet, ihn angefleht und schließlich bedroht. Sein Leben lang hatte Victor sich um die Geschäfte gekümmert, immer zurückgesteckt und alles getan, was im Sinne der Familie war. Ihre Interessen geschützt, ihre Zukunft gesichert. All die Dreckarbeit hatte er bereitwillig übernommen, damit Peter und seine Familie gelassen und entspannt im Luxus leben konnten.
Und nach all dem dieser Verrat.
Es hatte keinen Sinn, darüber nachzudenken. Jeder Gedanke in diesem Zusammenhang war ihm schon Tausende Male zuvor durch den Kopf gegangen. Er goss sich einen Drink ein und kippte ihn hinunter, während er versuchte, sich nicht mit Edward Riggs zu vergleichen. Er war noch nicht ganz so ausgezehrt.
Peters Ermordung zu veranlassen, um Katya zu schützen, war schon bizarr gewesen, dachte er, und ein Funken Zweifel blitzte in ihm auf. Aber es ergab trotzdem einen verrückten Sinn. Riggs war der perfekte Mann für den Job gewesen. Trotz all seiner persönlichen Schwächen war er ein erfahrener Profi. Und das Beste daran war, dass man auch auf ihn verzichten konnte. Er würde tun, was getan werden musste, und Mackey würde mit Sicherheit bemerken, dass seine Liebste verfolgt wurde. Seine Reaktion würde schnell und vorhersehbar sein.
Wie amüsant es wäre, wenn Mackey am Ende noch Riggs töten würde. Umso besser. Es wäre ein passendes Ende, und es würde Victor die Mühe und die Kosten sparen, das selbst zu arrangieren. Und da Mackey niemals erfahren würde, wer den Mann beauftragt hatte, würde er weiterhin auf Novak oder auch jeden anderen achten, den Novak schickte. Es war absolut perfekt. Hieb- und stichfest.
Aber leider hatte Riggs seine so selten gute Stimmung ruiniert, in die ihn die Party gebracht hatte. Es hatte ihm großes Vergnügen bereitet, Katyas Schönheit in einem angemessenen Umfeld so herausgestellt zu sehen. Endlich war sie aus Alix’ langem Schatten herausgetreten. Aber Riggs hatte Pandoras Büchse geöffnet. Hässliche Erinnerungen kamen wie Fledermäuse
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