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Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Die Nacht Hat Viele Augen -1-

Titel: Die Nacht Hat Viele Augen -1- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Mckenna
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lassen.«
    »Gut!« Harriets Gesicht nahm eine tiefrote Farbe an.
    »Vielleicht ist Ihre Majestät ja daran interessiert zu erfahren, dass Sie Ihre Fähre verpasst haben«, sagte Stefania. »Wir müssen Mr Lazar anrufen und ihm sagen, dass Sie es erst nach Stone Island schaffen werden, wenn der Taxi-Katamaran im Jachthafen frei ist, um Sie rüberzubringen. Er wird den ganzen Morgen ohne die Unterstützung seines Sekretariats verbringen müssen. Ich kann Ihnen versichern, er wird nicht erfreut sein.«
    »Fähre? Was für eine Fähre?« Ein Schreck durchstieß den schützenden Nebel aus Erschöpfung und Gleichgültigkeit. Er traf sie wie ein Messer.
    Harriet spürte es und lächelte triumphierend. »Oh ja. Man hat Ihre Dienste für die Insel angefordert. Mr Lazar arbeitet öfter von dort. Wenn er das tut, nimmt das Personal die Fähre nach Severin Bay, wo sein Privatboot es aufnimmt und nach Stone Island bringt.«
    »Wenn Sie pünktlich zur Arbeit gekommen wären, hätten Sie um 8:20 Uhr mit den anderen fahren können«, erklärte Stefania. »Aber jetzt müssen Sie auf den Taxi-Katamaran warten. Das geht immer noch schneller, als nach Severin Bay zu fahren.«
    »Also werden wir heute auch wieder Ihre Arbeit mitübernehmen«, erklärte Harriet schnippisch. »Machen Sie sich gar nicht erst die Mühe, Ihren Mantel auszuziehen. Der Wagen wartet bereits unten.«
    Eine halbe Stunde später war Raine am Jachthafen und fror im kalten Wind, der über das Wasser fegte. Sie versuchte sich einzureden, dass sie bereit war, sich Stone Island zu stellen und damit dem wirbelnden Gestank von Panik, der die Insel in Ihrer Erinnerung umgab.
    Ihre Mutter hatte gelogen, als sie darauf bestanden hatte, dass sie am Tag des Todes ihres Vaters in Italien gewesen waren. Da war sie sich sicher. Sie schloss die Augen und versuchte zum hundertsten Mal, sich an den Tag zu erinnern.
    Sie musste ihn umarmt und zum Abschied geküsst haben, als er an Bord seines kleinen Segelboots geklettert war. Wahrscheinlich hatte sie darum gebettelt, dass er sie mitnahm – wie immer, aber er hatte es fast nie getan. Er liebte seine Privatsphäre, damit er in Tagträumen schwelgen, die Inseln betrachten und kleine Schlucke aus seinem silbernen Flachmann nehmen konnte.
    Es schmerzte, dass sie sich nicht an diesen letzten Abschied erinnern konnte. Er sollte sich ihr eigentlich unauslöschlich eingeprägt haben, aber stattdessen schien er mit schwarzer Tinte übermalt worden zu sein. Sie spürte nur Angst, die sich immer mehr in Panik verwandelte. Heute würde es schwierig werden, sich professionell und ungezwungen zu geben. Nach Jahren erdrückender Untätigkeit passierte plötzlich alles auf einmal. Sie veränderte sich so schnell, dass sie sich von einer Minute zur nächsten selbst nicht mehr wiedererkannte.
    Dabei musste sie an Seths Besuch in den frühen Morgenstunden denken und an ihre eigene wilde, ungehemmte Reaktion darauf. Nackt und schwitzend unter ihm auf dem Rücksitz des Wagens, während sie ihre Lust laut hinausschrie. Oh ja, sie veränderte sich, das stimmte, und zwar mit Lichtgeschwindigkeit. Hitze durchflutete sie, und sie wandte sich der eiskalten Brise zu, um ihr Gesicht zu kühlen.
    »Guten Morgen«, sagte jemand hinter ihr.
    Erschrocken fuhr sie herum. Ein gut aussehender, modisch gekleideter blonder Mann Ende dreißig betrachtete sie mit offensichtlichem maskulinen Interesse. Seine Augen verbarg er hinter einer verspiegelten Sonnenbrille. Er lächelte. Raine lächelte zurück und fragte sich, ob sie ihn von irgendwoher kannte. Er hatte tiefe Grübchen, ein gewinnendes, charmantes Lächeln. Ganz bestimmt hätte sie sich an ihn erinnert, wenn sie ihm schon einmal begegnet wäre.
    Sekunden vergingen. Raine fiel absolut nichts ein, was sie hätte zu ihm sagen können. Er starrte sie weiter an, und sein Lächeln war absolut attraktiv, aber er strahlte eine seltsame Energie aus, wie das weiße Rauschen im Wartezimmer eines Psychiaters. Sie konnte ihre eigenen Gedanken kaum hören, so laut war es.
    Der Mann trat näher an sie heran, und aus irgendeinem Grund musste sie an Medusa denken, jene mystische Frau, deren Haar aus lebenden Schlangen bestand und die die Menschen mit einem Blick zu Stein erstarren lassen konnte. Er stand jetzt dicht vor ihr. Zu dicht. Sie konnte ihr eigenes Spiegelbild in seiner Sonnenbrille sehen. Ihre Augen wirkten groß und ängstlich.
    Die Winkel seines schmalen, asketischen Mundes hoben sich ein wenig. Sie war

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