Die Nacht Hat Viele Augen -1-
überrascht, dass du die Frechheit besitzt, mich um diese Uhrzeit anzurufen.«
»Guten Abend, Kurt. Ich hoffe, es geht dir gut?«
»Nur weil du unter Schlaflosigkeit leidest, bedeutet das nicht, dass du sie mir auch aufbürden musst.« Sein kühler, knapper Ton hatte einen leichten Akzent.
»Ich bitte um Verzeihung, aber manche Gespräche führt man einfach nicht bei Tag. Sie gehören in die Dunkelheit.«
Novak grunzte. »Ich habe heute Nacht einfach keinen Nerv für dein geheimnisvolles Gefasel, Victor. Komm zur Sache. Ich nehme an, es ist eine sichere Verbindung.«
Victor lächelte hinauf zu den leuchtenden Wolken. »Natürlich, Kurt. Hast du von dem Verschwinden der Corazon-Pistole gehört?«
Novaks plötzliche Aufmerksamkeit schoss durch die Telefonleitung wie ein Stromstoß. »Hast du etwas damit zu tun?«
Victor zog an seiner Zigarette und genoss das brennende Interesse des anderen Mannes. Einem verwirrten Tier wie Novak rohes Fleisch vor die Nase zu halten, machte einfach unglaublich viel Spaß.
»Ich gestehe, dass ich das habe. Du kannst dir vorstellen, wie weit ich meine Beziehungen spielen lassen musste, um dieses Objekt an mich zu bringen. Ich habe ein ganzes System von Kontakten benutzt, das ich im Laufe meines Lebens aufgebaut habe.«
»Das kann ich mir vorstellen. Ich kann mir nur nicht vorstellen, warum«, bemerkte Novak. »Aber ich nehme an, du wirst mich aufklären, sobald du den Zeitpunkt für gekommen hältst.«
»Als Investition natürlich. Es gibt eine Großzahl möglicher Käufer, aber ich wollte sie selbstverständlich zuerst dir anbieten. Mir ist absolut bewusst, welche Gefühle du für die junge Dame gehegt hast.«
Novak schwieg einen Moment. »Bist du vollkommen verrückt geworden?«, wollte er dann in einem eher beiläufigen Ton wissen.
»Überhaupt nicht. Ich wollte es dich nur wissen lassen, bevor die Waffe für immer in irgendeiner anonymen privaten Sammlung verschwindet. Es ist natürlich deine Entscheidung, aber dir sollte klar sein, dass die Pistole in Verbindung mit einem weiteren Objekt steht, das meiner Meinung nach für dich von noch größerem Interesse sein wird. Und übrigens auch für deinen Vater.«
»Und das wäre?«
»Ein Videoband«, sagte Victor sanft.
»Und?«, hakte Novak ungeduldig nach. »Spuck’s aus.«
Victor schloss die Augen und ließ die Bilder vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Er begann mit leiser, verträumter Stimme zu sprechen. »Sie späht durch den Türspion und ist verärgert, als sie sieht, wer draußen steht. Sie sagt ihm, dass er verschwinden soll, aber der Besucher lässt sich nicht abschrecken. Er schließt die Tür auf und drängt sich hinein, stößt sie zu Boden. Ihr langes schwarzes Haar ist nass. Sie trägt einen Morgenmantel. Weiß. Er reißt ihn ihr herunter. Darunter ist sie nackt. Alles in dem Raum ist weiß, selbst das Tulpenbouquet auf der Anrichte unter dem Spiegel. Sie sieht, was er aus seinem Mantel zieht … und beginnt zu schreien.«
Er hielt inne. Novak sagte nichts. Victor sprach weiter.
»Ihr Liebhaber kommt aus dem Schlafzimmer, er ist nackt und hat eine Walther PPK in der Hand, allerdings ist deutlich zu sehen, dass er nicht weiß, wie man damit umgeht. Der geheimnisvolle Gast zieht eine seltsame kleine Pistole aus seiner Tasche, zielt und schießt dem Mann direkt ins Gesicht. Der greift sich an die Kehle, fällt gegen die Wand und rutscht immer noch lebend zu Boden, damit er später als Sündenbock dienen kann. Der geheimnisvolle Mann wendet sich an die junge Frau, die versucht, auf die Füße zu kommen.« Er hielt kurz inne. »Muss ich fortfahren?«
»Wie?«, zischte Novak.
»Interessant ist nur, dass von diesem Band mehrere Kopien existieren und an verschiedenen Orten versteckt sind, mit Anweisungen, was damit zu tun ist, falls ich ein vorzeitiges Ende finde. Nicht, dass ich an deiner Freundschaft zweifeln würde, Kurt.«
»Du warst also der anonyme Anrufer, der meine perfekte Vergeltung ruiniert hat.« Novaks Stimme klang tödlich sanft. »Ich wollte, dass dieser Mann für immer hinter Gittern schmort, Victor. Weil er es gewagt hatte, sie zu berühren.«
»Selbst ich leide manchmal unter Anfällen von Nächstenliebe«, murmelte Victor. »Es schien mir nur ein bisschen übertrieben, auch Ralph Kinnear den Wölfen vorzuwerfen.«
»Weißt du eigentlich, mit wem du dich einlässt, Victor? Wagst du es wirklich, mit mir zu spielen?«
»Als du dich das letzte Mal danebenbenommen hast, war dein Vater
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