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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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verletzt. — Könnten Sie morgen vielleicht — «
    »Leider nein«, sagte ich, »die Sache eilt. Ich würde gern im voraus bezahlen.«
    Die Tür ging weiter auf.
    »Es ist nicht wegen des Geldes«, meinte er, »aber man muß helfen, wenn man gebraucht wird. Treten Sie bitte ein!«
    Er führte mich in ein Zimmer, das man früher als »Salon« bezeichnet hätte; es war mit Möbeln vollgestopft, aber alles zusammen war keine zweitausend Francs wert.
    Er nötigte mich auf einen wackligen Stuhl, dessen Sitzfläche zerrissen war, und setzte sich selber auf einen Drehschemel, wie man ihn sonst meist nur vor Klavieren findet.
    »Eine Überwachung?« fragte er und fuhr mit dem Handrücken an der Nase entlang. »Eine Überwachung also? Die Frau Gemahlin? Oder gar das Fräulein Braut?«
    »Das Fräulein Braut«, bemerkte ich.
    Er nickte betrübt.
    »Ja«, sagte er und seufzte tief auf, »ja, das sind Sitten heutzutage! Sie glauben nicht, wieviel ich dieser Art zu tun habe.«
    Wenn er die Wahrheit sprach, konnte sein Honorar fünf Francs pro Auftrag nicht übersteigen.
    »Und was würde denn interessieren«, fragte er, »das werte Vorleben der Dame oder die rauhe Gegenwart?«
    »Hm«, sagte ich, »eigentlich die Zukunft.«
    Er stutzte, dann brach er in ein meckerndes Lachen aus. Ich schämte mich fast, ihn heute nacht so grob behandelt zu haben; aber daran war nur die Dunkelheit schuld gewesen.
    »Eine ausführliche Überwachung kostet pro Tag dreihundert Francs.«
    »Das ist billig«, sagte ich, »wenn man Ihr Risiko mit einrechnet.«
    »Gewiß«, sagte er und stopfte sich eine Pfeife aus einem Lederbeutel; vermutlich war er in dem Aberglauben befangen, daß Detektive zur Hebung ihres Ansehens unbedingt Pfeife rauchen müssen; vielleicht aber tat er es auch, weil Tabak billiger war als Zigaretten. »Gewiß, Monsieur, man erlebt allerhand.«
    Eine theatralische Geste an den Kopf unterstrich die Bedeutung dieses Satzes.
    »Ein Ziegelstein?« fragte ich teilnahmsvoll. Dieses Kerlchen amüsierte mich. Ich wußte, daß er für Geld alles stehlen würde, was man ihn stehlen hieß.
    »Aber nein«, erwiderte er entrüstet, »eine Schußverletzung. Es kam in der vergangenen Nacht zu einem Kugelwechsel zwischen einem — einem Verbrecher und mir.«
    »Haben Sie ihn erschossen?« fragte ich atemlos.
    Er nickte.
    »Ja. — Das heißt, nicht ganz. Aber er war total kampfunfähig, und ich konnte ihn der Polizei übergeben. Während des fürchterlichen Handgemenges versuchte er, mich zu erschießen; aber das Geschoß streifte mich nur.«
    »Toll«, sagte ich, »ganz toll, Monsieur Mompard. — Sie haben also eine Waffe?«
    »Natürlich.«
    »Das ist gut«, versicherte ich, »bei der Sache, zu der ich Sie brauche, muß man unbedingt bewaffnet sein. Es wird sicherlich geschossen werden.«
    »Gerade das Richtige für mich«, behauptete er, aber sein Gesicht war um einige Zentimeter länger geworden.
    »Machen wir keine langen Faxen mehr, Sie alter Lügner«, sagte ich ganz ruhig. »Sie waren heute nacht in Issy und versuchten, einige Dokumente zu klauen.«
    Er fuhr zusammen, und seine Hände hielten den Tisch krampfhaft fest. »Oh — oh«, machte er, »das — woher — ich weiß nicht — «
    »Aber ich«, nickte ich und legte seine Mauser auf den Tisch. »Die habe ich Ihnen abgenommen, nachdem ich Sie damit niedergeschlagen hatte. Sie waren zu feige, um rechtzeitig zu schießen.«
    Er saß so zerknirscht auf seinem Drehschemel, daß er mir beinahe leid tat.
    »Wieviel hat Ihnen Monsieur Mignard für die Papiere versprochen?«
    Er schaute mich in ehrlichem Erstaunen an.
    »Monsieur Mignard? — Papiere? — Ich kenne gar keinen Monsieur Mignard, und ich weiß auch nichts von Papieren.«
    »Du lügst, du kleiner Gauner!« schrie ich ihn an. »Sag sofort die Wahrheit, oder du bekommst nochmal was, damit du auch die andere Seite zubinden kannst.«
    »Bei der heiligen Jungfrau! Monsieur! Wo denken Sie hin! Ich wage es nicht, auch nur ein unwahres Wort zu sagen. — Ich weiß nicht, was Sie mit Monsieur Mignard meinen. Und von Papieren weiß ich erst recht nichts.«
    »Ja, zum Teufel«, sagte ich, »was wollten Sie dann in dem Haus?«
    »Ja«, sagte er, hob die Schultern und spreizte beide Hände vom Körper ab, »das werden Sie mir kaum glauben, Monsieur.«
    »Erst mal hören lassen«, sagte ich, »dann werde ich entscheiden, ob ich es glaube oder nicht.«
    »Ich sollte die Zigarettenstummel holen«, sagte er in einem Ton, als ob das die

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