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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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nicht, Monsieur.«
    Er log und gab sich keine Mühe, es zu verbergen.
    Ich holte das Foto von Germaine aus der Tasche.
    »Die?«
    »Nein, Monsieur, Mademoiselle Mignard war es nicht.«
    Ich fuhr hoch.
    »Zum Teufel, Mann, ich muß das wissen! Woher kennen Sie überhaupt Mademoiselle Mignard?«
    »Man kennt sie«, sagte er ausweichend, »sie ist die Tochter einer prominenten Persönlichkeit.«
    »Und sie war es wirklich nicht?« fragte ich. Meine Stimme zitterte, so sehr hoffte ich, er möge mich davon überzeugen, daß sie es nicht war.
    »Nein«, behauptete er, »sie war es bestimmt nicht. Sie müssen einen andern Weg einschlagen, Monsieur Bouchard.«
    Ich glaubte, einen Schlag ins Genick bekommen zu haben. Hatte er wirklich meinen Namen genannt? Oder hatte ich mich nur verhört? Sicherlich; er hatte sicher etwas anderes gesagt. Ich war zu nervös.
    Er saß mir gegenüber wie ein kleiner Kobold und lächelte mich an. Alles Ungewisse, Läppische war aus seinem Gesicht gewichen. Ich sah plötzlich, daß er harte, klare Augen hatte.
    »Sie müssen einen andern Weg einschlagen, Monsieur Bouchard«, wiederholte er lächelnd.
    Ich spürte, daß mir der kalte Schweiß auf der Stirn stand. Wer war dieser Mann? Woher kannte er mich? Wie konnte ich hier ungeschoren wieder herauskommen?
    »Sie kennen mich?« fragte ich endlich ziemlich sinnlos.
    »Ja«, sagte er und lächelte noch immer, »ich war vor neun Jahren noch ein Anfänger, und ich studierte Ihren Fall. Ich kam zu einem anderen Ergebnis als das Gericht; aber — wie gesagt — ich war ein Anfänger. Und ich studierte den Fall Bouchard weiter — ich meine, den Fall Alexandre Bouchard, und ich wußte, daß Sie vorzeitig entlassen worden sind.«
    Ich atmete tief auf.
    »Sie — Sie glauben nicht, daß ich meinen Bruder erschossen habe?«
    Er schüttelte ernst den Kopf.
    »Nein, ich glaube es nicht. Sie hatten neun Jahre lang eine gute Schule, die beste, die es für solche Sachen gibt. Sie hätten, wenn Sie Ihren Bruder erschossen hätten, die Pistole nicht bei sich behalten. — Aber ich kann mich auch irren.«
    Seine Augen ruhten auf mir; er betrachtete mich, wie man einen interessanten Vogel im Tiergarten betrachtet.
    »Wissen Sie, Monsieur Mompard, wer geschossen hat?«
    »Nein, noch nicht. Im Augenblick genauso wenig wie Sie.«
    Ich schaute auf die Uhr.
    »Labourusse will mich sprechen«, sagte ich, »um sechs Uhr.«
    »Was will er von Ihnen?«
    Ich erzählte ihm, daß ich die Akte Mignard besaß; aber ich sagte ihm nicht, wo ich sie verwahrt hatte. Ich erzählte ihm auch, was ich mir ausgedacht hatte.
    Er hörte mir schweigend zu und unterbrach mich nicht. Als ich geendet hatte und ihn fragend anschaute, sagte er: »Ich vermute, daß sich zwei Dinge überschneiden. Der Mord ist eins, und die Akte Mignard ist eins; aber sie hatten ursprünglich nichts miteinander zu tun.«
    »Und wer«, rief ich, »wer sonst könnte ein Interesse an Alexandres Tod gehabt haben?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er, schob den Tabaksbeutel und die Pfeife weg und zog eine Schachtel >Lucie Doraine< aus der Tasche. Er bot mir lächelnd an, und ich gab ihm Feuer.
    »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Wollen Sie mir helfen, Monsieur Mompard? Sie wissen doch, in welcher Lage ich bin. Man hält mich doch für den Mörder, und wenn ich ihn nicht finde, bin ich geliefert.«
    Er nickte. Dann sagte er und blickte mich scharf an:
    »Sie könnten es auch getan haben — ich weiß es noch nicht.«
    Ich nahm den Fünfhunderter in die Hand, der noch auf dem Tisch lag.
    »Ich habe noch mehr«, sagte ich, »wenn Sie mir helfen —«
    Er hob abwehrend die Hand.
    »Ihr Bruder hatte rund achtzigtausend Francs in seinem Schreibtisch«, sagte er sachlich, »ich nehme an, daß Sie die gefunden haben. Oder packten Sie das Geld auch in den Koffer?«
    »N — nein«, sagte ich verwirrt, »es gehört mir. Ich bin der einzige Erbe.«
    Er nickte.
    »Ein Grund, ihn zu erschießen«, bemerkte er trocken.
    Ich fuhr wieder hoch.
    »Verdammt noch mal, was spielen Sie eigentlich? Wollen Sie mir helfen, oder wollen Sie mich hochgehen lassen?«
    »Weder — noch«, sagte er, »ich möchte herauskriegen, wer geschossen hat. Das ist alles.«
    »Gut«, sagte ich, »dann verfolgen wir das gleiche Ziel.«
    »Ja, aber wahrscheinlich auf verschiedenen Wegen. Ich möchte Ihnen — ehrlich gesagt — so wenig wie möglich begegnen. Es ist schmerzhaft.«
    Er streichelte sanft über seinen Verband.
    »Soll ich nun zu Labourusse gehen,

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