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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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selbstverständlichste Sache der Welt wäre.
    »Zigarettenstummel?« fragte ich.
    »Ja. Die Dame hatte sie dort vergessen.«
    »Kerl«, rief ich und packte ihn über den Tisch hin am Kragen, »wissen Sie, was Sie mir da erzählen! In dem Haus ist ein Mann ermordet worden!«
    Er schaute mich verblüfft an.
    »Ein Mann ermordet? — Nein — wie schrecklich! Um Gottes willen!«
    »Ja, um Gottes willen!« äffte ich ihn nach. »Wie ist das mit den Zigarettenstummeln? Erzählen Sie! Aber von Anfang an!«
    Er war erschüttert, und ich sah, daß seine Erschütterung völlig echt war. Ein schrecklicher Verdacht stieg in mir hoch.
    »Sie kam zu mir«, fing er an, »und sagte —«
    »Wer — >sie    »Die Dame. Ich kenne ihren Namen nicht. Bei derartig diskreten Aufträgen frage ich nie nach dem Namen. Ich hätte auch Sie nicht nach Ihrem Namen gefragt. Sie kam und sagte ...«
    »Wann kam sie? Bitte, ganz genau!«
    »Gestern mittag«, erklärte er, »es war — etwa zwei Uhr. Da kam sie und sagte, es sei ihr etwas Schreckliches passiert. Sie habe einen Freund, der sei verheiratet. — Na schön, so was kommt ja immer mal vor, nicht wahr, Monsieur? Und gerade solche Dinge sind mein Spezialgebiet, verstehen Sie. Und sie sagte, sie sei bei ihm gewesen, heute — das heißt also gestern —, und da habe sie auf ihn gewartet, weil er nicht da war, und dabei habe sie geraucht. Und als er dann nicht gekommen sei, wäre sie wieder gegangen, habe aber vergessen, die Zigarettenstummel in den Ofen zu werfen. Dann habe sie erfahren, daß seine Frau von der Reise zurückkäme, und nun sei sie wegen der Stummel in Sorge, weil doch Lippenstift daran gewesen sei, und auch wegen der Marke. Ich solle ihr um Gottes willen helfen und die leidigen Stummel fortschaffen. — Das ist die Geschichte. Glauben Sie mir, Monsieur?«
    Ich brauchte eine Weile, um das Gehörte zu verdauen. Es klang so unwahrscheinlich, daß es wohl die Wahrheit sein konnte.
    »Und da sind Sie mir nachgeklettert?« fragte ich endlich.
    »Aber nein«, sagte er, »ich war ja schon drin, als Sie kamen. Mademoiselle hatte mir doch die Schlüssel gegeben.«
    »Und da ...« — ich schnappte nach Luft —»... und da gehen Sie einfach in ein Haus, in dem gemordet wurde, unmittelbar zuvor, und beseitigen die Indizien, die den Mörder verraten hätten?«
    Er schaute mich wieder entsetzt an, dann schüttelte er den Kopf.
    »Ich wußte nichts von einem Mord, Monsieur«, versicherte er, »ich weiß auch jetzt noch nichts davon. Sie sagen das, Monsieur; aber ich weiß nicht, ob es stimmt. Ich bekam einen diskreten Auftrag und ein Schlüsselbund. — Ich habe mich strafbar gemacht.«
    Ich hatte diesen Burschen wohl doch unterschätzt; er war viel gerissener als ich dachte. Aber alles, was er sagte, tat mir weh. Es war mir, als sei plötzlich ein Vorhang zur Seite gezogen worden. Ich sah nun die Bühne in voller Klarheit, und ich sah das Drama, das sich darauf abgespielt hatte.
    Germaine!
    Daß ich nicht früher darauf gekommen war! Alles hatte ich hinter diesem Mord gesucht — nur nicht die Frau. Und wie oft hatte ich in den neun Jahren Zuchthaus gehört: »Hinter jedem Verbrechen steht eine Frau!«
    Germaine!
    Sie hatte ihn nicht geliebt! Sie war nichts weiter gewesen als ein Rädchen in dem Werk, das er laufen ließ.
    Und sie wollte nicht mehr mitmachen. Sie hatte draußen auf ihn gewartet, und als er kam, hatte sie ihn erschossen. Und durch mein Erscheinen hatte sie den Kopf verloren, war davongerannt und hatte vergessen, ihre Zigarettenstummel zu beseitigen.
    »Es ist die Wahrheit«, hörte ich ihn sagen, »ganz bestimmt, Monsieur.«
    »So«, sagte ich müde, »und was wollten Sie mit dem Koffer?«
    »Ich hielt Sie für einen Einbrecher«, sagte er, »war es nicht meine Pflicht, Ihnen die Beute abzujagen?«
    Ich bekam langsam so etwas wie Achtung vor diesem schlauen Fuchs, der aussah, als könne er nicht einmal ein Küken fangen. Und dann mußte ich trotz meines Kummers lachen.
    »Außerdem hätte das Ihrer Kasse ein wenig auf die Beine geholfen, was?«
    Er lächelte verlegen.
    »Ich glaube«, sagte er bescheiden, »wir könnten uns verstehen.«
    »Und Sie wissen wirklich nicht«, fragte ich, »wer die Dame war?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Was würden Sie sagen, Monsieur, wenn mich jemand nach Ihnen fragte, und ich würde es ihm sagen, wer Sie sind?«
    Er blickte mich höflich fragend an.
    Ich legte einen Fünfhunderter auf den Tisch.
    »Ich weiß es wirklich

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