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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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und hieß >Chat Noir<.
    Am nächsten Morgen verließ ich kurz vor halb sieben das Hotel.
    Ich nahm ein Taxi, obwohl ich reichlich Zeit gehabt hätte, aber ich fand, daß man nirgends so sicher vor Bekannten ist wie in einem Taxi. Unterwegs kaufte ich mir die Morgen-Zeitungen.
    Sie berichteten nun ausführlich über Alexandres Tod. Und sie widmeten mir Artikel, denen zufolge ich einer der unverschämtesten und widerlichsten Verbrecher der Nachkriegszeit sein mußte. Der >Matin< schrieb:
»Wie wir bereits in unserer Samstagausgabe berichteten, ist Alexandre Bouchard das Opfer eines Unfalles geworden, — so schien es wenigstens zunächst. Man fand ihn vor seiner Villa in Issy tot auf, und es sah zunächst so aus, als hätte ihn sein eigener Wagen auf der abschüssigen Einfahrt in die Garage überfahren. Der Polizei gelang es jedoch sehr bald, festzustellen, daß A. Bouchard ermordet worden war. Er wies eine tödliche Schußverletzung auf.
Der Mörder, zweifellos sein Bruder Jean Bouchard (wir berichten weiter unten ausführlich über diesen Schwerverbrecher), hat mit beispielloser Raffiniertheit und unübertrefflicher Grausamkeit einen Unfall vorgetäuscht, um sich einer Verfolgung zu entziehen. Das Motiv seiner Tat dürfte, nach Aussagen der Polizei, einwandfrei als Racheakt betrachtet werden. Jean Bouchard, der Mörder, wurde, wie bekannt, bereits vor neun Jahren wegen eines ähnlichen Verbrechens zu schwerem Zuchthaus verurteilt. Er hatte damals seinen Vater auf der Jagd erschossen. Nur seiner glänzenden Verteidigung und der unbegreiflichen Laschheit der Geschworenen verdankte er es damals, so glimpflich davongekommen zu sein. Sein Fall sei eine Warnung für alle Beteiligten! Milde am falschen Platz kann zu einem Verbrechen an der Menschheit werden!«
    In dieser Tonart ging es weiter, und die übrigen Blätter schrieben nicht viel anders. Einige hatten die beiden Fotos veröffentlicht.
    Besonders wild gebärdete sich der >Figaro<, das Blatt, das Armand Labourusse »kontrollierte«. Er hatte auf meine Ergreifung eine Belohnung von tausend Francs ausgesetzt. Außerdem zeigte er sich besonders genau unterrichtet.
    »Der Mörder«, hieß es da, »hatte eine Auseinandersetzung mit seinem Bruder. Sehr wahrscheinlich lauerte er ihm vor seiner Villa auf und bettelte ihn an, oder er stellte irgendwelche erpresserischen Forderungen. Monsieur Bouchard hat diesen Wünschen aus guten Gründen nicht entsprochen, wodurch es zu der verruchten Tat gekommen ist.«
    Und so weiter.
    Wir waren in die Nähe des Postamts gekommen, und ich ließ das Taxi halten.
    Vorsichtig pirschte ich mich näher. So sehr ich auch aufpaßte, konnte ich von einer Verfolgung nichts bemerken. Fast mußte ich lachen, als ich mir vorstellte, wie die Leute von Labourusse nun siegesgewiß vor dem falschen Postamt Wache standen.
    Obwohl ich meiner Sache ziemlich sicher war, schien mir die Zeit bis um acht Uhr eine Ewigkeit zu dauern.
    Endlich sah ich einen Beamten die Glastüren von innen aufschließen. Ich war an diesem Morgen der erste, der das Postamt betrat, obwohl inzwischen mehrere Leute vor der Tür standen. Bis ich vor dem Schalter stand, hatte ich Sorge, ob nicht doch noch irgend etwas passieren würde. Aber es geschah nichts. Niemand drängte mich zur Seite, und niemand versuchte, mich niederzuschlagen.
    »Ich möchte den postlagernden Brief für Mademoiselle Constance Leclerc«, bat ich.
    Der Beamte suchte in einem Fächerschrank und gab ihn mir.
    Ich steckte ihn sofort in den kleinen Koffer, dann schaute ich mich vorsichtig um. Es war niemand da, der an mir Interesse zeigte. Erleichtert verließ ich die Post.
    Auch draußen sah ich nichts, was mir gefährlich erschien.
    Ich winkte wieder ein Taxi herbei und fuhr zum Westbahnhof. Unterwegs ließ ich halten und besorgte mir eine Rasierklinge, sowie eine Nähnadel und dunkelbraunen Faden.
    Im Bahnhof übergab ich den Koffer der Gepäckaufbewahrung. Dann verschwand ich für eine Weile in der Toilette, und als ich wieder herauskam, hatte ich den Gepäckschein säuberlich in das Futter meiner Jacke eingenäht. Nun konnten sie lange nach den Papieren suchen!
    Ich überlegte, wen ich nun zuerst besuchen sollte. Den Detektiv Mompard? Monsieur Mignard? Oder —
    Ich stand mindestens eine Stunde beobachtend vor Germaines Haus. Ich sah weder einen verdächtigen Mann, der sich in der Nähe herumtrieb, noch sonst etwas, das mich besonders beunruhigt hätte; abgesehen davon, daß mich an diesem Morgen so ziemlich

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