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Die Nacht in Issy

Die Nacht in Issy

Titel: Die Nacht in Issy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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soweit kommen zu lassen; aber er hörte nicht auf mich. Nun, das hat er jetzt davon. Aber letzten Endes geht es gar nicht darum, wer ihn umgelegt hat, ob Sie oder jemand anders. Die Polizei wird Jean suchen, sie wird ihn auch finden, dafür werde ich schon sorgen.«
    Ich hörte ihn hin- und hergehen und erwartete, daß ihn Germaine hinauswerfen würde. Aber nichts geschah. Ich hörte von ihr kein Wort.
    »Das Vertrackte ist nur«, fuhr er fort, »daß er die Papiere hat. Ich wollte sie ihm schon abluchsen; aber es hat eine kleine Panne gegeben. Er hat mir einen Mann über den Haufen geschossen. — Jetzt hab’ ich diese Schererei auch noch am Bein! Außerdem weiß er jetzt, woher der Wind weht, und wird nicht mehr zu bewegen sein, mit mir zu reden. Jetzt müssen Sie helfen.«
    »Ich?« staunte Germaine, und dann sagte sie noch etwas, was ich aber nicht verstand; es war zu leise.
    »Doch«, antwortete er, »das können Sie sehr gut. Sie sehen doch gut aus, Germaine, und sind eine reizende Frau. Und er ist am Verhungern, sozusagen. Da hat er sich so eine kleine Dirne aufgelesen; aber das ist für ihn nicht das Richtige. Sie sind es, Germaine! Sorgen Sie dafür, daß er sich in Sie verliebt. Schlagen Sie ihm vor, er soll bei Ihnen wohnen. Wo sonst wäre er noch sicher? Sie können ihm einreden, daß er nur bei Ihnen sicher sei, auch vor mir. Schließlich sind wir nach außen hin ja Feinde, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte sie, »das tue ich nicht. Es ist schlimm genug —«
    »Was«, unterbrach er sie höhnisch, »was ist schlimm genug? Daß er zu Ihnen kommt, ahnungslos, und daß Sie Alexandre erschossen haben? — Ach was, starren Sie mich nicht so unschuldig an! Ich weiß mehr, als Sie glauben.«
    Er hatte die letzten Worte ziemlich laut gerufen, und ich dachte daran, was ich tun würde, wenn er plötzlich die Tür öffnete, hinter der ich stand. Wahrscheinlich hätte ich ihn erschossen.
    Er begann wieder zu sprechen, leidenschaftslos, wie man mit einem Geschäftspartner spricht:
    »Ich hätte die Papiere gern selber gehabt. — In meiner Hand wären sie ein großartiges Druckmittel gegen Ihren Vater gewesen. Ich hätte ihn damit zwingen können, freiwillig auf seinen Posten zu verzichten. — Aber leider! — Es ist daneben gegangen. Sie — oder Ihr Vater — Sie beide können mit den Papieren gar nichts anfangen, ohne sich selbst zu belasten. Der ganze Schwindel würde sofort herauskommen. Und deshalb schlage ich Ihnen vor, wir vernichten diese gefährlichen Papiere gemeinsam. Was halten Sie davon?«
    Eine Weile hörte ich nichts, dann sagte sie:
    »Ich würde viel darum geben, wenn ich die Papiere vernichten könnte. Aber — aber ich weiß nicht — ich kann nicht — «
    »Was können Sie nicht?« fragte er drohend. »Kommen Sie mir jetzt nur nicht mit Sentimentalitäten, Sie reiner Engel! Wenn Sie auf Ihren Freund schießen konnten, dann können Sie auch — «
    »Das war er nicht«, rief sie, »das war er schon lange nicht mehr! Sobald ich merkte, daß er mich nie geliebt hatte, daß alles nur Theater war, um meinen Vater in die Hand zu bekommen, um ihn ungestörter erpressen zu können — sobald ich das gemerkt hatte, war er nicht mehr mein Freund. Ich habe ihn gehaßt, so sehr...«
    »...daß Sie ihn erschossen haben«, schloß er ruhig. »Das weiß ich, und diese Feststellung langweilt mich allmählich. Auch mir war er lästig, und ich bin Ihnen in gewissem Sinne zu Dank verpflichtet. Deshalb mache ich Ihnen jetzt ja auch diesen Vorschlag zur Güte. Wickeln Sie Jean ein, es wird nicht allzu schwer sein. Ich habe ihn gestern genau studiert: er ist übernervös, ist fertig. Es braucht nur noch ein klein wenig Nachhilfe. Versprechen Sie ihm, was Sie wollen, und dann lassen Sie sich die Papiere geben.«
    »Und dann?« fragte sie.
    Er lachte.
    »Ach Gott — und dann? Interessiert Sie das vielleicht? Die Hauptsache ist doch, wir haben die Akte! Stellen Sie sich vor: Wenn wir sie haben, ist alles in Ordnung. Kein Mensch kann uns dann noch etwas nachweisen. — Wir werden ehrenwerte Bürger dieser großartigen Stadt sein, Ihr Vater und ich.«
    »Und — «, fragte sie leise, »wenn er sie mir nicht gibt.«
    »Dann wären Sie die unbegabteste Frau, die mir je in meinem Leben begegnet ist. Er wird sie Ihnen geben — wenn Sie es wollen.«
    Eine Weile herrschte wieder Schweigen. Ich hatte das Gefühl, als laufe mir der Schweiß in Strömen vom Gesicht. Ich hatte noch keine Zeit, nachzudenken oder das Gehörte zu

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