Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
er immer. Sie haben keine Ahnung, was er ist, oder?«
»Das ist mir scheißegal. Ich weiß, was Sie sind«, antwortete Mickey und stieß Rooke hinter Rossokow her in den Korridor. Sie hatten die Hälfte des Ganges hinter sich gebracht, als Rossokow plötzlich einen Schrei ausstieß und zusammenzuckte, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Rooke fing zu rennen an, schob sich an der taumelnden Gestalt vorbei. Die Waffe ruckte in die Höhe, ehe Mickey Zeit hatte, darüber nachzudenken, aber dann schwankte seine Aufmerksamkeit zwischen Rookes entfliehendem Rücken und der vor ihm auf dem Boden kauernden Gestalt. Und dann war der Augenblick zum Handeln vorbei – dahin, als Rooke durch die Stahltür am Ende des Korridors verschwand.
»Die Maschine«, stöhnte Rossokow auf, und seine Augen flackerten wild in einem Gesicht, das vor Schmerz grau geworden war. »Schießen Sie auf die Maschine.«
»Welche Maschine? Wo?« Aber die einzige Antwort, die er darauf bekam, war ein Schrei, der plötzlich abbrach, als der Mann sich vor Schmerz krümmte. Maschine, wovon zum Teufel redete er? Das einzige Gerät weit und breit war die Kamera vor ihnen. Mickey sprintete vorwärts und kam schlitternd unter der schwarzen Box zum Stehen. Es war gar keine Kamera, erkannte er, als er die Waffe hob und feuerte. Der Mechanismus explodierte in einem Hagel von Metallsplittern und Funken.
Als er sich umdrehte, war Rossokow dabei, sich mühsam wieder aufzurappeln, sich dabei an der Wand abstützend. »Was war los? Was war das?«
»Wo ist Rooke?« Er stieß die Worte heiser heraus.
»Da durch.« Mickey deutete mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die Tür. »Was machen wir jetzt?«
Aber Rossokow gab keine Antwort auf die Frage, sondern sackte bloß gegen die Wand. Sein Atem ging langsam und rasselnd. Mickey zögerte einen Augenblick und lehnte sich dann neben ihn mit dem Rücken an die Wand und sah auf die Tür, die am Ende des Ganges feierlich und unberührbar glänzte. Du lieber Gott, Sara, dachte er, was mache ich jetzt nur?
32
Während Lisa Takaras Blick zwischen dem Fenster und dem Monitorbild der zwei dunklen Gestalten in dem winzigen Zimmer hin und her wanderte, murmelte sie unablässig Flüche. Der Wächter, der vor seinem eigenen Monitor hinter ihr saß, rutschte unruhig auf seinem Sessel herum, unternahm aber, weil er sie nicht verstand, sonst nichts.
Die Videobänder verraten dich, Rooke, dachte sie bitter. Wenn das letzte mir nicht gezeigt hätte, was für ein Monstrum du bist, dann dieses hier. Ob nun diese Frau da drinnen verrückt ist oder ein Vampir, du und deinesgleichen habt sie dazu gemacht. Es war schlau von dir, ihre Schwester zu entführen, um sie zu erwischen. Sie zusammen in ein Zimmer zu legen, damit sie reden. Aber du hättest mich nicht zwingen sollen, sie dabei zu beobachten. Denn jetzt hat sie einen Namen und ein Leben, das deine Firma ihr entrissen hat. Und an dessen Stelle Havendale ihr diesen Wahnsinn oder diesen Fluch aufgebürdet hat.
Und jetzt zwingst du mich, hier zu sitzen und zuzusehen, in der Hoffnung, dass der Hunger, den du ihr eingepflanzt hast, sie zum Unaussprechlichen treiben wird.
Hinter ihr waren die anderen Wissenschaftler noch an der Arbeit, brüteten über den Mikroskopen und Computerausdrucken. Bis jetzt gab es noch nichts Schlüssiges, nicht mehr als ein paar Anomalien in den Blutproben und Parkinsons Verdacht, dass sich in der Gewebestruktur der Hautproben eine kleine Veränderung ergeben hatte. Sie wusste, dass alle immer wieder mal zögerlich und in von Schuld geplagter Faszination zu ihr herübersahen. Wenn sie durch das Labor gehen mussten, pflegten sie stehen zu bleiben und einen Moment in die enge Zelle zu spähen. Dort war ein Beweis, der sich nicht leugnen ließ, und sie warteten alle darauf, dass es geschah.
Ardeth wusste, dass sie da waren, und Lisa vermutete, dass wenigstens einiges von dem, was Ardeth gesagt hatte, ebenso wie manche ihrer Gesten für die Beobachter und nicht für ihre Schwester bestimmt gewesen waren. Aber es gab auch Dinge, die die Frau auf der anderen Seite des einseitig durchsichtigen Spiegels verborgen hätte, wenn sie dazu imstande gewesen wäre: die Unruhe, die sie immer wieder dazu veranlasste, ihre Lage auf der Pritsche zu verändern, die Finger, die sich in das Laken krampften und es wieder losließen, die Art und Weise, wie sich ihr Mund kaum wahrnehmbar verzog, wenn sie an ihrer Lippe kaute.
»Subjekt A zunehmend erregt, unruhig. Subjekt B
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