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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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wurde, aber als er auf die Stelle blickte, wo sie saß, sagte sie nichts, so dass er sich gezwungen sah, der Dienerin über die Veranda zu seiner Kammer zu folgen. Und in der Tat hatten ihn die Ereignisse der Nacht so ermattet, dass er sofort einschlief, als er sich hinlegte.
    In seinem Schlaf stellten sich fremdartige Träume ein. Er träumte, er sei in ein seidenes Gespinst gehüllt, wie das einer Spinne, während etwas an der Wunde, welche die Banditen ihm an seiner Schulter zugefügt hatten, tastete und leckte. Der Traum beunruhigte ihn so, dass er erwachte und ohne nachzudenken mit dem ersten Gegenstand, der ihm in die Hand kam, um sich schlug – dem Kamm, den die alte Frau ihm gegeben hatte, um sein Haar zu ordnen.
    Ein Schmerzensschrei war zu hören und riss ihn gänzlich aus dem Schlaf. Im Mondlicht konnte er eine junge Frau auf dem Boden kauern sehen, die sich die Hand hielt. Sie war schöner, als er sich das ausgemalt hatte, ihr Gesicht so fahl wie der Mond mit fein gezeichneten Augenbrauen und einem Mund so rund wie eine Kirsche. Haar so schwarz wie die Mitternacht fiel ihr über die Schultern und breitete sich auf den Matten um ihre Knie herum aus. Sie war in ein hauchdünnes Gewand gehüllt, das ihre Schultern freiließ. »Edle Dame … bitte verzeiht mir … ich träumte …«
    »Ich kam, um nachzusehen, ob es Euch gutgeht«, sagte sie mit weicher Stimme.
    »Habe ich Euch verletzt?«
    »Meine Hand blutet. Es ist nichts.«
    Trotz ihrer Proteste griff er nach ihrer Hand und küsste den blutigen Striemen, den sein Kamm auf ihrer weichen, kühlen Haut hinterlassen hatte. Ihr Blut schmeckte wie ein fremdartiges, exotisches Gewürz. Als er in ihre Augen blickte, waren sie sehr dunkel. Dann entzog sie ihm die Hand und richtete sich auf. Das Mondlicht schien durch ihr Gewand zu scheinen und zeichnete die Linien ihres schlanken Körpers nach.
    »Ich muss gehen.«
    »Nein.« Er war halb aufgestanden, ehe es ihm bewusstwurde, und seine Hand streckte sich nach ihr aus.
    »Ihr wollt, dass ich bleibe?«
    »Ja.«
    »Seid Ihr Euch sicher?«
    »Ja«, antwortete er und hielt mit einer Hand ihren Ärmel fest. Sie breitete die Arme aus, und ihr Gewand fiel von ihr ab und ließ ihren nackten Körper im Mondlicht weißer als Seide schimmern. Dann zog er sie auf die Matten herab und ertrank in dem Geflecht ihres Haares und den kühlen Tiefen ihres Fleisches.
    Als er erwachte, lag der Raum in Finsternis, und er war alleine. Der Duft ihres Haares hing an ihm, der Geschmack ihres Blutes war in seinem Mund. Eine große Müdigkeit lastete auf ihm wie ein schweres Gewicht, und er brauchte lange, bis er sich von seinem Lager erheben und zur Tür taumeln konnte. Einen Augenblick lang starrte er ungläubig zum Himmel und dem Mond hinauf, der hoch über seinem Kopf hing. Ebenso war es gewesen, als die Dame des Herbstmondes zu ihm gekommen war, und ohne Zweifel musste er in den langen Stunden, die er in ihren Armen verbracht hatte, hinter dem Horizont versunken sein. Wenn der Himmel die Wahrheit sprach, hatte er einen ganzen Tag und eine halbe Nacht geschlafen.
    Dann blickte er sich um, und seine Zweifel verstärkten sich. In der vergangenen Nacht war der Garten bloß überwuchert gewesen, jetzt erstickte er förmlich unter Schlingpflanzen und Unkraut. Ein Baum beugte sich über den Teich, in dem er gebadet hatte, und seine Blätter hingen bis in das trübe Wasser. Das Haus, das ihn umgab, war in gleicher Weise verändert. An manchen Stellen waren die schweren Schindeln heruntergefallen, und die hölzerne Veranda unter seinen Füßen war am Zerbröckeln und Verfaulen.
    Er rannte von Zimmer zu Zimmer und rief nach der Dame oder ihrer Dienerin, aber abgesehen vom klagenden Ruf einer Eule irgendwo im Wald antwortete ihm niemand.
    Während er so suchte, stellte sich bei ihm die schreckliche Erkenntnis ein, dass die Dame, mit der er die Nacht verbracht hatte, kein sterbliches Geschöpf gewesen war, sondern ein Geist oder ein Dämon. Nachdem sie ihre böse Tat vollbracht hatte, war sie zurückgekehrt in das geheimnisvolle, fremdartige Reich, dem sie entsprungen war.
    Zum zweiten Mal floh der junge Mann durch die Wälder, ließ das alte, zerfallende Haus und die klagenden Rufe der Eule hinter sich. Aber vor dem seltsamen erschreckenden Hunger, den die Dame in ihm hinterlassen hatte, konnte er nicht fliehen, und er wusste jetzt, da es zu spät war, dass die Omen wahr gewesen waren und dass vom ersten Schritt an ein Fluch über seiner Reise

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