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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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war für den Lärm dankbar, für das anonyme Gedränge von Körpern, die sich rings um sie bewegten und sie immer wieder anstießen. Als er die Hand auf ihre Schulter legte und sich zu ihr beugte, etwas schrie, schüttelte sie den Kopf und lächelte. Ihre Hüften berührten die seinen.
    Er versuchte nicht noch einmal, zu sprechen, sondern ließ nur zu, dass die Musik ihre Körper in der rauchigen Hitze näher aneinanderschmelzen ließ. Ardeth fühlte, wie seine Hände über ihr Rückgrat strichen und dann nach oben wanderten, sie am Nacken unter ihrem Haar berührten. Sie schloss die Augen und legte den Kopf an seine Schulter. Seine Kehle war nur Zentimeter von ihrem Mund entfernt. Leicht, dachte sie verträumt und blickte auf den Ohrring in Form eines Totenschädels, der von seinem Ohrläppchen baumelte. Es wäre so leicht. Bloß eine einfache Bewegung, und ich könnte Nahrung aufnehmen, hier auf der Tanzfläche. Bloß diese eine einfache Bewegung, und ich könnte immer hierbleiben in dieser süßen Dunkelheit.
    Nur, dass nichts davon real wäre, erkannte sie mit eisiger Klarheit. All die bleichen Gesichter und die schwarz geränderten Augen stellten kein Abbild ihrer selbst dar, wie sie voll blindem Narzissmus gedacht hatte. Sie hatte sich nur selbst dem Bild angeglichen, das die Menschen hier verehrten. Sie wünschten sich ihre Vampire schön und gefährlich, exotisch und außerirdisch. Sie wünschten sich den tragischen Aristokraten, den gefallenen Engel, die unwiderstehliche sexuelle Macht.
    Sieh den Dingen doch ins Auge, dachte Ardeth bitter. Das hast du dir doch auch gewünscht. Oh, natürlich war es mit dir und Dimitri mehr als das, aber auch das andere war ein Teil davon. Du wolltest, dass er jenes Bild verkörperte, und hast dich selbst umgekrempelt, um es zu verkörpern. Und als ihr beide diesen Traum nicht leben konntet, als die Realität der Liebe und die Alltäglichkeit des Daseins euch zu viel wurden, bist du weggerannt. Beide sind wir weggerannt, erinnerte sie sich schroff. Und er zuerst.
    Der Junge, der sie in den Armen hielt, drehte den Kopf zur Seite und lächelte wieder. Zum ersten Mal bemerkte sie, dass seine Eckzähne spitz zugefeilt waren.
    Eine Welle des Ekels schlug über ihr zusammen. Plötzlich schien ihr die Decke zu niedrig. Die weißen Gesichter hingen in der Finsternis um sie, und ihre roten Lippen schienen böse zu lächeln. Ekel über sie, über sich selbst, brannte in ihrer Kehle. Sie entzog sich den Armen des Jungen und floh von der Tanzfläche, bahnte sich taumelnd einen Weg durch die dicht gepackten Menschen und trat ins Freie, in die kühle, saubere Luft.
    Einen Augenblick lang lehnte sie an der Wand vor der Tür, ihr Atem ging schwer. Selbst das hier hatte jetzt einen Makel bekommen. Sie konnte nie wieder hierher zurückkehren, ohne die Falschheit und das spöttische Bild eines fiktiven Lebens zu sehen, das sie nie führen konnte. Rossokow, lass mich ziehen, dachte sie, und ihre Wut brodelte in ihr auf, während sie nach einem Grund oder einem Ziel suchte. Wenn ich bloß aufhören könnte, an dich zu denken, dann wäre ja alles gut. Sie zwang sich, sich aufzurichten und dann weiterzugehen, blindlings zurück zur Queen Street und dem zweifelhaften Schutz, den die vielen Menschen dort boten.
    Dann stand sie schließlich vor dem Gold Rush und starrte Saras Bild an, das von den Plakaten auf sie herabblickte. Drinnen spielte Black Sun oder würde zumindest in Kürze spielen. Sie konnte hineingehen und zusehen … Nur, dass sich möglicherweise jemand an ihr Gesicht erinnerte, von dem Plakatfeldzug, den Sara geführt hatte, um ihre verschwundene Schwester wiederzufinden. Aber macht das etwas aus?, fragte sie sich. Du hast doch vor, zurückzukehren. Warum also nicht jetzt?
    Sie brauchte sich darauf keine Antwort zu geben, setzte aber trotzdem ihre Sonnenbrille auf, ehe sie hineinging, um nach Sara zu fragen. Sie hatten dafür für alle Fälle so etwas wie einen Code vereinbart. »Sagen Sie ihr einfach, Chris Lee sei da gewesen«, sagte Ardeth und gab sich redlich Mühe, bei dem Namen, den Sara gewählt hatte, nicht zu lächeln. »Wenn Sie einen Augenblick Zeit hat, warte ich draußen auf sie.«
    Der Türsteher versprach, die Nachricht hinter die Bühne zu bringen, und Ardeth ging um das Gebäude herum an den Hintereingang und wartete in der schmalen Gasse, bis die Tür aufging. Wieder jenes schmerzliche déjà vu. Sie erinnerte sich daran, wie Mickey in die Seitenstraße trat und ihnen

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