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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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bedrückenden Reden«, sagte ich und sah, wie Masahime zusammenzuckte, als das Kind in ihr sich regte. »Dame Fujitsobo hat heute Abend ihre Mondbetrachtung angesetzt. Prinzessin, wenn Ihr immer noch teilzunehmen wünscht, sollten wir uns darauf vorbereiten.« Und so gebührend durch Gedanken an Seide, Geschenke und Köstlichkeiten abgelenkt, ließen wir die Reden über Geister und Räuber verwehen wie Wolken von einem Frühlingswind.
    Die Festlichkeit zur Betrachtung des Mondes fand im Pflaumenpavillon statt, dem Haus von Dame Fujitsobo, Tochter der ehemaligen Kaiserin Sadako. Sie hatte die Damen des Hofes eingeladen und es kokett unterlassen, die Herren ebenfalls einzuladen, woraufhin diese sich dazu entschlossen hatten, sich ihrerseits im Glyzinienhof zu versammeln, der sich die Gärten mit dem Pflaumenpavillon teilte. Die Lampen ihrer Veranda schimmerten durch den dünnen Schleier der Bäume, und die parfümierte Luft trug Männergelächter zu uns herüber. Aber da sie nicht bei uns waren, brauchten wir keine Wandschirme und saßen deshalb im Freien und sahen zu, wie die volle Mondscheibe am Himmel emporstieg.
    Es gab viel Reiswein und noch mehr Gedichte, doch keines davon war so beeindruckend, dass ich mir die Mühe machte, es aufzuschreiben. Diener und Dienerinnen kamen und gingen mit Schriftrollen von den Herren auf der anderen Seite des Gartens für die eine oder andere Dame. Ihre Dichtung wurde laut vorgelesen und bot dann dem manchmal ans Bösartige grenzenden Humor reichlich Gelegenheit, sich über ihre Schreibkunst und ihre Papierauswahl zu mokieren. Wenn sie es hätten hören können, wären sie vermutlich entsetzt gewesen. Antworten wurden verfasst und zurückgeschickt. Einiges davon war Spiel, die einfache Koketterie, die dem Leben Würze verlieh. Einiges war Begehren und würde in den dunklen Räumen des Palastes in Erfüllung enden. Und einige traurige Zeilen waren Zeilen der Liebe, die mit Schmerz und Verlust enden würden. Liebe endet stets so.
    Selbst ich erhielt die eine oder andere Huldigung. Ich ahnte, wer sie geschickt hatte, und lehnte alle Einladungen mit sorgfältig gewählten Worten ab. Mein Ruf war ohnehin schon ausreichend beeinträchtigt, von Kyojis Geist verfolgt, und ich wagte nicht, ihn noch mehr aufs Spiel zu setzen. Und in Wahrheit war ich auch von den Männern nicht versucht, deren Gedichte mir schmeicheln sollten, weil ich wusste, dass die Worte nichts bedeuteten und nur Rituale waren, die die Männer aufführten, um das zu erhalten, was sie sich kurzzeitig wünschten.
    Die Stunde der Ratte näherte sich, und unsere Zusammenkunft zeigte noch keine Anzeichen der Auflösung. Die Prinzessin Masahime war vor einer Weile, begleitet von Yugao, gegangen, und so benutzte ich ihr Wohlergehen als Vorwand, um meiner Gastgeberin eine gute Nacht zu entbieten.
    Ich wusste, dass ich geradewegs zu meinen Räumlichkeiten im Palast hätte gehen sollen, weil die Nacht Gefahren bergen konnte – die geisterhaften Gefahren durch meinen Verlobten und jene greifbareren durch Räuber und Wegelagerer. Aber die Frühlingsluft duftete so frisch, und der Mond schien noch so hell und betörend, dass ich es nicht ertragen konnte, in die stille Dunkelheit meiner Gemächer zurückzukehren. Also nahm ich einen der häufig genutzten Pfade, der zu einem der Teiche des Palastes führte, orientierte mich im Mondlicht und hoffte, dass ich mir nicht an den Büschen die Ärmel meines besten Kimonos zerreißen würde.
    Am Ende des Fußweges hatte man einen kleinen Steg gebaut, auf den ich jetzt hinaustrat, wobei die Holzsohlen meiner Sandalen laut in der Stille der Nacht hallten. Ich war nur ein kleines Stück Weges vom Pflaumenpavillon entfernt, aber da seine Veranden nach innen gewandt waren, trug mir die Brise das Gelächter von dort nur als ein leises Wispern ans Ohr. Ich stützte beide Hände auf das Geländer und blickte zum Mond auf, der gerade anfing, sich in einen blassen Schleier zu hüllen.
    Und dann wusste ich, dass ich nicht alleine war.
    Zu meiner Überraschung arbeiteten meine Gedanken trotz meiner Angst ganz klar. Zu schreien würde keinen Sinn haben, weil ich nicht damit rechnen konnte, dass man mich hören würde, da ich ja die Feier ebenso wenig hören konnte. Und außer ins Wasser stand mir kein Weg offen. Ich wusste nicht, ob ich es fertigbringen würde, mich zu ertränken, um der Unehre zu entfliehen, aber ich beschloss, es zu versuchen, falls es sich als notwendig erweisen sollte.
    Ich drehte mich

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