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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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plötzlich wusste, dass es das war, was er brauchte. Nicht Trost und nicht Mitleid, sondern einen Willen, der stärker war als der seine, um ihm eine Wahrheit aufzuzwingen, der er nicht in die Augen sehen konnte. »Wenn Sie es gewollt hätten, hätten Sie nicht dagegen angekämpft. Das weiß ich. Weil ich nicht gekämpft habe.«
    Er blieb reglos knien, während sie ihre Kleider zusammensuchte und sich anzog. An der Tür wandte sie sich noch einmal um. »Ich werde ihm sagen, dass Sie es sich anders überlegt haben«, sagte sie zu seinem gesenkten Kopf gewandt und zu den schmerzlich nach vorn gesunkenen tätowierten Schultern. »Wenn Sie je wirklich wissen, dass es das ist, was Sie wollen, werde ich es Ihnen geben.«
    Der Korridor war hell erleuchtet, und Ardeth lehnte sich einen Augenblick lang mit geschlossenen Augen an die Wand. Ihre Knie fühlten sich seltsam schwach an, und ihr war, als wäre ihr Körper von ihrem Bewusstsein losgelöst. Yamagatas Blut in ihren Adern war wie ein Adrenalinstoß, der gegen die postkoitale Lethargie ankämpfte. Sie fuhr sich mit der Hand an den Mund und wischte sich unbewusst darüber.
    Dann löste sie sich von der Wand und ging langsam die Treppe hinunter. In der Stille des Wohnzimmers saß Fujiwara immer noch in seinem Sessel, während Rossokow vor dem offenen Kamin auf und ab ging. Sie hatte eigentlich ihre ganze Aufmerksamkeit auf den japanischen Vampir konzentrieren wollen, aber als sie Rossokows gequältes Gesicht und die angespannten Linien um seinen Mund sah, konnte sie den Blick nicht von ihm abwenden. Hast du dich gefragt, was oben wohl geschah?, dachte sie mit einem Groll, der ihr mehr wie ein Reflex als wie echtes Empfinden vorkam. Hast du dich bloß gefragt oder hast du deine Kräfte eingesetzt, um herauszufinden, ob ich ihn gevögelt habe?
    »Er hat es sich anders überlegt«, sagte sie schließlich und zwang sich wieder, Fujiwara anzusehen. »Ich habe ihm gesagt, dass er mich aufsuchen soll, wenn er es noch einmal überdacht hat.«
    Dann ertrug sie es nicht länger, in diesem Raum zu sein. Ihre Füße fanden den Fluchtweg, ehe sie ihn bewusst gesucht hatte, und führten sie quer durch den Raum zu der Terrassentür. Sie schob die Vorhänge beiseite, hantierte an dem Schließmechanismus herum und stand dann draußen in der kühlen Nachtluft. Die Tür öffnete sich auf eine mit Holzdielen belegte Veranda, auf der jetzt unbenutzte Picknicktische und Stühle traurig herumstanden. Sie zog ihre Jacke vorne zusammen und ging ans Geländer. Durch die Bäume glaubte sie das Schimmern des Mondlichts auf Wasser erkennen zu können.
    Ardeth hörte, wie sich hinter ihr die Türen öffneten und wieder schlossen, weigerte sich aber standhaft, wegzulaufen. Eine Gestalt erschien neben ihr. Fujiwara sagte nichts, legte nur die Hände aufs Geländer und blickte in die Nacht hinaus. Bilder wie auf japanischen Drucken und Szenen aus der japanischen Geschichte drangen plötzlich in ihr Bewusstsein und riefen widerstrebend Besorgnis in ihr wach. Einen Augenblick lang wollte sie die Bilder von sich drängen. Yamagata bedeutete ihr nichts, war bloß ein Instrument ihrer Rache. Allenfalls war er ein paar unwirkliche Augenblicke lang ein geschickter Liebhaber ohne Liebe zwischen ihnen gewesen. Aber jene Augenblicke hatten ihr eigenes Gewicht und hatten doch ihren Eindruck hinterlassen, wenn auch nur einen von kurzer Dauer. Sie erinnerte sich an die einsame, auf dem Boden kauernde Gestalt und sah Fujiwara an.
    »Er war erregt. Er wird doch nicht etwas … etwas Schlimmes tun, oder?«
    »Zum Beispiel Seppuku begehen … sich selbst töten? Ich glaube nicht. Nein, das tut heutzutage niemand mehr.« Seine Stimme hatte einen amüsierten Unterton, und dann wurde der Ausdruck des Vampirs ernst. »Ich habe keine solche Absicht an ihm wahrgenommen.« Er fing ihren Blick auf. »Ich habe das überprüft.«
    »Ich nehme an, Sie sind mit ihm einer Meinung.« Sie deutete den Themenwechsel mit einer ruckartigen Kopfbewegung zu dem Jagdhaus hin an. »Sie denken, ich hätte es nicht tun sollen.«
    »Ist es von Belang, ob ich es billige oder nicht? Der Fluch ist ebenso der Ihre wie der unsere. Sie haben das Recht, ihn so einzusetzen, wie Sie das wollen. Als Vampir würde Takashi für uns keine Gefahr darstellen. Mich interessiert mehr, warum Sie so gehandelt haben. Sicher nicht aus Sorge um meinen Stellvertreter.«
    »Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte Ardeth knapp.
    »Das sind sie alle. Ganz besonders

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