Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
mit den V-Aufschriften und die Dosen mit den Originalfilmrollen und begann, die Bänder in den Aktenvernichter zu stopfen. Der Shredder leistete ganze Arbeit, und sie lächelte. »Das sollte genügen«, erklärte sie. Nach kurzer Überlegung ließ sie dem restlichen Filmmaterial die gleiche Behandlung angedeihen.
»Willst du sie alle vernichten?«, fragte Rossokow, der sie interessiert beobachtete.
»Ja, ich denke, das sollten wir tun. Sonst machen diese Dreckskerle bloß noch mehr Geld damit.« Als sie fertig war, prüfte sie die Vampirbänder noch einmal. Sie waren alle leer. »Wir sollten für alle Fälle auch noch im Regieraum nachsehen.«
Ihren vereinten Kräften hielt das Schloss an der Tür zu Roias’ letztem Zufluchtsort nicht stand. Ardeth trat in die Kabine. Während unter ihren Füßen Glas knirschte, stöberte sie herum und überprüfte die einzelnen Computer und Schränke nach weiterem Material. Als sie sich überzeugt hatte, dass es dort keine Aufzeichnungen von Rossokows Existenz gab, wandte sie sich zum Gehen und bemerkte plötzlich eine schwarze Lederjacke, die über einer Stuhllehne hing. Sie warf dem leblos im Fensterrahmen hängenden Körper einen Blick zu, lächelte und schlüpfte dann in die Jacke.
Ardeth schickte sich gerade an, in den Korridor hinauszutreten, als sie Stimmen hörte. Sie trat gerade so weit in den Türrahmen, bis sie Rossokow sehen konnte, der in den Korridor starrte und ihr den Blick verdeckte. »Ich habe gefragt«, hallte eine Stimme außerhalb ihrer Sichtweite, »wer zum Teufel Sie sind? Wo ist Roias?«
»Roias ist unerwartet abberufen worden. Ich vertrete ihn im Moment.«
»So? Na schön, ich bin gekommen, um mein Honorar abzuholen. « Ardeth erkannte die Stimme, erinnerte sich daran, wie sie aalglatt eine verzweifelte junge Frau belog.
»Ihr Honorar?«
»Ja, für die Mädchen. Sie behalten sie beide, oder wie?«
»Ich verstehe. Auf welches Honorar haben Sie sich mit Roias geeinigt?«
»Zehntausend Dollar für die beiden. Das heißt, wenn Sie sie behalten. Sonst je tausend Dollar für den Film – aber dann will ich sie zurückhaben.«
»Ah, dann sind Sie der Kuppler. Ich verstehe.« Rossokows Stimme klang weich und gefährlich. »Sagen Sie, wissen Sie, was Roias mit denen macht, die er behält?«
»Er setzt sie in seinen Filmen ein, denke ich. Hören Sie, mir ist scheißegal, was er mit ihnen macht. Ich muss weiter. Also geben Sie mir das Geld, oder händigen Sie mir die Mädchen aus«, brauste Greg auf, aber unter dem drohenden Tonfall konnte Ardeth einen Hauch von Unsicherheit wahrnehmen.
»Ich muss Ihnen leider sagen, dass es einen Unfall gegeben hat. Die Frauen sind tot.«
»Dann will ich mein Geld.« Rossokow trat einen Schritt nach vorn und entzog sich damit Ardeths Blick. Ihre Muskeln spannten sich, und sie schob sich ein Stück weiter Richtung Korridor.
»Die Frauen hatten den Tod nicht verdient. Aber Sie verdienen ihn.« Ein schlurfendes Geräusch war zu hören, dann ein Schrei von Greg. Ein Schuss knallte und ließ Ardeth in den Korridor rennen. Die schrille Wut in ihrem Geist übertönte das verhallende Echo des Schusses.
Rossokow stand über Greg gebeugt und starrte auf die Leiche hinab, deren Kopf in einem unnatürlichen Winkel verdreht war. Die tote Hand hielt immer noch den Revolver. Ardeth blieb stehen, und Rossokow blickte auf. »Alles in Ordnung«, beruhigte er sie, ehe die Frage über ihre Lippen gekommen war. Sein Hemd wies an der Schulter ein Loch auf, von einem dünnen, roten Rand umgeben. »Das heilt in wenigen Augenblicken.« Die rote Sturmflut in ihr beruhigte sich, und Ardeth sah einen Augenblick lang in Gregs verzerrtes Gesicht. »Nun«, meinte sie schließlich, »das löst ein weiteres Problem.«
»So?«
»Er muss mit einem Wagen gekommen sein. Ich fürchte, all die anderen, die hier geparkt waren, habe ich ruiniert.« Er sah sie erwartungsvoll an. »Ich wollte nicht, dass sie eine Möglichkeit zur Flucht hatten«, erklärte sie verlegen und zog die rationale Erklärung der Realität ihrer blinden Wut vor, die jeden logischen Gedanken ausgeschaltet hatte.
»Ein Wagen … Weißt du, wie man fährt?«
»Ich bin eine Weile nicht mehr gefahren, aber ich bin sicher, dass ich uns damit in die Stadt zurückbringen kann. Sobald ich herausgekriegt habe, wo wir sind, heißt das.« Sie beugte sich vor und durchsuchte Gregs Taschen. Sie zog seine Wagenschlüssel und die Brieftasche heraus, die fast tausend Dollar in Bargeld enthielt.
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