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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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doppelt so schwer. Die Musik endete, als sie irgendwo in den Vororten ankamen, und die Stimme des Ansagers meldete sich mit den Nachrichten und verkündete, dass es zwei Uhr morgens war. Ardeth ließ die letzten Neuigkeiten aus Osteuropa, dem Nahen Osten und dem Parlament an sich vorbeiziehen. Für sie schien ein ganzes Leben verstrichen zu sein, aber in der Welt waren es nur ein paar Tage gewesen. Sehr wenig hatte sich verändert.
    »Die Polizei erbittet weiterhin die Hilfe der Öffentlichkeit auf der Suche nach Ardeth Alexander, die seit Dienstagabend als vermisst gemeldet ist. Wer die achtundzwanzigjährige Studentin seit letztem Dienstag gesehen hat, melde sich bitte bei der Polizei unter 555-3636.«
    Kein großer Nachruf. ›Eine achtundzwanzigjährige Studentin. ‹ Sie überlegte, wer sie wohl als vermisst gemeldet hatte. Carla? Sara? Aber eigentlich war es nicht wichtig. Sie ahnten weder, was ihr widerfahren, noch wann sie verschwunden war. Leichte Bitterkeit überkam sie bei dem Gedanken an ihren großartigen und doch so hoffnungslosen Traum von Rettung. Nicht auszudenken, dass sie sich daran geklammert hatte, wo ihre Retter noch nicht einmal gewusst hatten, dass sie der Rettung bedurfte.
    Rossokow hatte seine Aufmerksamkeit von den dunklen Lkws und Trucks abgewandt, die draußen an ihnen vorbeihuschten. »Ardeth«, fing er an, und sie zuckte die Achseln, als wollte sie eine Hand abschütteln, die sich auf ihre Schulter gelegt hatte.
    »Das ist nicht wichtig. Ich bin nicht verschwunden.«
    »Du kannst nicht nach Hause gehen. Das weißt du. Wo immer du uns heute hinbringst, es kann nicht dein Zuhause sein.«
    »Ich will nicht nach Hause«, sagte sie, die Hände fest um das Steuer verkrampft. »Sollen die doch weiter nach Ardeth Alexander suchen. Ardeth Alexander ist tot.«
    »Lang lebe Ardeth Alexander«, sagte Rossokow mit einem Lächeln, aber sie konnte hinter seinem Humor den leichten Spott hören. Und die Warnung.
    »Lang lebe Ardeth Alexander«, wiederholte sie und sah dann die Abzweigung zum Don Valley Parkway. Der BMW überquerte drei leere Fahrspuren und bog in den Parkway ein.
    Ein Stück nördlich der Bloor Street hielt sie an. Hier gab es die ausgebrannte Ruine einer verlassenen Ziegelei, die wegen der Bäume und des Gestrüpps nicht eingesehen werden konnte. Hinter den verrostenden Überresten irgendwelcher alten Maschinen schaltete sie den Motor ab. Über den tickenden Lauten, mit denen er abkühlte, glaubte sie das leise Rauschen des spärlichen Verkehrs auf dem Highway hören zu können und dahinter das noch schwächere Flüstern des Flusses, der sich langsam und träge seinen schlammigen Weg zum See bahnte.
    Über kurz oder lang würde man den Wagen finden und eine Verbindung zu Greg herstellen. Würde man je die Verbindung zu ihnen erkennen? Sie blickte auf ihre Hände, die bleichen Finger, die auf dem ledernen Steuerrad ruhten. »Fingerabdrücke … wir müssen meine Fingerabdrücke beseitigen.«
    Rossokow nickte und suchte in seinen Taschen herum. Ihr wurde plötzlich klar, dass er nach dem Taschentuch suchte, das Männer in seiner Vergangenheit immer bei sich getragen hatten. Es überraschte sie nicht, dass er in den Tiefen seiner gestohlenen Kleidung nur ein zerfetztes Papiertaschentuch ausfindig machte. Ardeth schlüpfte aus ihrer Jacke, nahm einen Ärmel ihres Hemds und riss ihn mit Hilfe von Zähnen und Nägeln am Ellbogen ab. Sorgfältig rieb sie mit dem Tuch über das Steuerrad, die Blinkerhebel und Lichtschalter sowie die Schnalle ihres Sitzgurts. Als sie den Wagen verließ, behandelte sie die Türgriffe, Schlösser und Fensterränder auf dieselbe Weise.
    Dann schlüpfte sie wieder in ihre Jacke und sah zu Rossokow hinüber, der auf der anderen Seite des Wagens stand. »Was machen wir jetzt?«
    »Wir müssen irgendeinen Ort finden, wo wir den Tag verbringen können; in ein paar Stunden setzt die Dämmerung ein.«
    »Was für einen Ort?«
    »Ein verlassenes Gebäude, einen Tunnel. Zumindest einen Ort tief zwischen den Bäumen, wo keiner hinkommt.«
    »Ich weiß nicht, was in dieser Senke ist.« Sie runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern, was sie von der U-Bahn aus gesehen hatte, die hier unter der Brücke nach Süden verlief. »Weiter hinten sind verlassene Häuser und Läden. Wenn wir jetzt losgehen, sind wir bald da.«
    »Dann geh.« Sie sah ihn scharf an. »Wir können nicht zusammenbleiben. «
    »Warum nicht?«
    »Das wäre gefährlich für dich. Du hast Recht. Nicht

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