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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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nicht zu auffällig waren.
    »Ich nehme an, das war etwas, wofür diese Fahrzeuge nicht konstruiert sind«, bemerkte Rossokow vorsichtig.
    »Eher nicht«, räumte sie ein und verspürte einen Anflug von Belustigung darüber, wie beiläufig er ihr bestätigte, dass seine weißen Knöchel gerechtfertigt gewesen waren.
    Nach ein paar Augenblicken des Schiebens und Zerrens schafften sie es, die Torflügel wieder in die richtige Stellung zu den Steinmauern zu bringen und so festzuklemmen, dass sie auf einen flüchtigen Blick unversehrt erschienen. Ardeth trat ein paar Schritte zurück und musterte ihr Werk kritisch. Vermutlich war der Verkehr auf dieser Straße unbedeutend und beschränkte sich hauptsächlich auf Ortsansässige. Und die würdigten das Tor wahrscheinlich keines Blickes, für sie war es Teil der Umgebung. Roias’ Komplizen hatten nur die hintere Zufahrt benutzt. Es würde also wahrscheinlich ein paar Wochen dauern, bis jemand den Schaden bemerkte.
    Ardeth blickte wieder zu dem Wagen. Wahrscheinlich sollten sie einsteigen und einfach losfahren, darauf vertrauend, dass sie irgendeine Ortschaft oder ein Straßenschild erkannten und damit ihre Orientierung zurückgewannen. Sie blickte zum Himmel auf und bedauerte, dass sie nie irgendwelche Astronomiekurse belegt hatte. Sie wusste nicht einmal mehr, wo der Große Wagen zu finden war.
    Rossokow folgte ihrem Blick und erkannte sofort die Ursache ihres unzufriedenen Blicks. »Dort ist Norden«, sagte er und deutete auf die Anstalt, die hinter ihnen lag. »Nützt dir das bei der Lösung deines Dilemmas?«
    »Nun, ich weiß zwar immer noch nicht, wo wir sind, aber wenn wir nach Süden fahren, werden wir über kurz oder lang auf etwas stoßen, das ich kenne, und wenn es nur der See ist.«
    »Du willst also immer noch zur Stadt zurück?«
    »Du nicht?«, konterte sie. »Willst du nicht herausfinden, wer über dich Bescheid weiß und wie viel sie wissen?« Sie hielt inne, trat einen Schritt auf ihn zu. »Willst du nicht, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden?« Er schüttelte leicht den Kopf und sah dann noch einmal zum Himmel. »Dann bring uns nach Süden, Kind«, sagte er und lächelte, aber sie konnte trotz der herrschenden Dunkelheit erkennen, dass sein Lächeln an den Mundwinkeln etwas verkniffen war, »und versuche, dabei weiteren versperrten Toren aus dem Wege zu gehen.«
    Ardeth zwang sich, sein Lächeln zu sehen und nicht seine Traurigkeit. Sie ging zum Wagen zurück.
    Schweigend fuhren sie über die finsteren Feldwege. Sie bog nach links, einfach, weil der Wagen in die Richtung zeigte, und nahm dann die erste asphaltierte Straße, die sie fand, nach Süden. Die Kegel der Scheinwerfer des BMWs waren das Einzige, was sich in der Landschaft bewegte, und auch fast das einzige Licht. Hier und da konnte man auf den Feldern ein Terrassenlicht erkennen, und einmal passierten sie ein Haus, dessen sämtliche Fenster beleuchtet waren, und das vor dem dunklen Hintergrund der Nacht wie ein beleuchtetes Puppenhaus wirkte.
    Und dann tauchte unter den Schildern mit Straßenbezeichnungen, Entfernungen und Bevölkerungszahlen eines auf, das ihr hilfreich war: Toronto, 100 Kilometer. Sie bog nach rechts ab auf eine vierspurige Straße, fand dann eine Auffahrt und jagte den BMW auf einen fast verlassenen Highway. Im Westen leuchtete der Himmel wie von der Morgendämmerung. »Was ist das?«, fragte Rossokow.
    »Die Stadt.« Als sich wieder Schweigen ausbreitete, ahnte sie den Abgrund der Jahre, vor dem er stand. Die Stadt mit Gasbeleuchtung war zu einer von Kernkraft versorgten Metropole geworden, deren Lichter man vom Weltraum aus sehen konnte und die die Reinheit der Nacht verdrängten.
    Erschüttert griff sie nach dem Radioknopf und füllte die Leere zunächst mit Rauschen und dann mit dem Radau einer Heavy-Metal-Band. »Ich hoffe, das ist nicht das, was dieses Zeitalter als Musik bezeichnet«, sagte Rossokow in nur teilweise vorgetäuschtem Schrecken, und sie lachte.
    »Manche Leute tun das. Gewöhnlich langhaarige, pickelgesichtige heranwachsende Jungen.« Die Beschreibung rief die Erinnerung an Peterson und seine T-Shirts mit den Totenschädeln herauf. Ardeth ließ den Senderlauf schnell weitersuchen, vorbei an Rock ’n’ Roll-Klängen und Werbespots, bis sie die vergleichsweise Behaglichkeit von Mozart fand. »Ist das besser?«
    Er nickte, wandte aber den Kopf zur Seite und starrte zum Fenster hinaus, und das Schweigen, von dem jetzt der Zauber genommen war, lastete

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