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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Baker
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Ardeth zögerte einen Augenblick, das Überbleibsel einer bereits lange tot geglaubten Moralvorstellung zupfte an ihr, bis ihr klarwurde, wie absurd ihr Widerstreben war. Mit einem schwachen Lächeln stopfte sie sich die Geldscheine in die Vordertasche ihrer Jeans. Auch seine Uhr nahm sie an sich und ersetzte die zerbrochene Hongkongkopie an ihrem Handgelenk durch seine schwere Rolex. Sie sah sich in dem dunklen Korridor um und spürte einen Druck hinter ihren Augen, so als glühten diese. »Sehen wir zu, dass wir aus diesem verdammten Bau herauskommen.«

15
     
    Gregs Wagen parkte mitten in der Einfahrt, eine letzte Geste des Trotzes gegenüber Roias. »Das sieht ja aus wie eine Maschine aus einem Roman von Wells oder Jules Verne«, meinte Rossokow, und Ardeth erinnerte sich, dass die einzigen Autos, die er je zu Gesicht bekommen haben konnte, allererste Prototypen gewesen sein mussten.
    »Nun, sie sehen nicht alle so aus«, sagte sie nach einem Blick auf den silbergrauen BMW. Sie hatte angenommen, dass Greg einen ausgefalleneren Wagen fahren würde, etwas teures Europäisches, einen Porsche oder Ferrari etwa. Dann erinnerte sie sich an die zwei Frauen, die tot im Studio lagen, und bedachte, dass für einen Zuhälter Platz für Mitfahrer wichtiger war als Image.
    Nachdem sie auf dem mit weichem grauem Stoff bezogenen Fahrersitz Platz genommen hatten, strich sie zögernd mit der Hand über das Steuer. Es war mindestens fünf Jahre her, dass sie zuletzt ein Auto gefahren war. Damals war sie zu Hause bei ihren Eltern in Ottawa gewesen. Gott sei Dank war der BMW mit einem Automatikgetriebe ausgestattet. Sie hätte keine Ahnung gehabt, wie sie mit einer Schaltung umgehen musste. Aber bald stellte sie fest, dass die alten Reflexe noch vorhanden waren, und sie verspürte ein geradezu sinnliches Vergnügen, als sie den Wagen über die kreisförmige Zufahrt steuerte.
    Sie schaltete die Scheinwerfer ein und fuhr durch die lange, von hohen Bäumen gesäumte Zufahrt. Das konnte nicht die Straße gewesen sein, die Roias und Wilkens auf der endlosen Fahrt zu der Anstalt benutzt hatten, dazu war sie zu eben. Als sie das Ende der Zufahrt erreichte, bestätigte sich ihr Verdacht. Vor ihr ragten zwei mit Rost bedeckte eiserne Torflügel auf, die mit einer Kette und einem Vorhängeschloss zusammengehalten wurden. Hohe Steinmauern flankierten sie.
    Ardeth fluchte, legte den Rückwärtsgang ein und schaute zurück, um sich im Licht der Heckscheinwerfer zu orientieren. »Du fährst zurück?«, fragte Rossokow, der sich ebenfalls umgedreht hatte.
    »Eigentlich hatte ich vor, durchzubrechen«, erwiderte sie und drehte sich dabei wieder um, wobei sie etwas von ihrem irren Grinsen im Rückspiegel auffing. Sie ließ ihm keine Zeit, Widerspruch einzulegen, sondern trat das Gaspedal durch und zielte mit dem Wagen auf das Tor. Sie spürte, wie Adrenalin in ihr aufstieg. Es wischte die Stimme weg, die ihr Warnungen zuflüsterte und sie daran erinnerte, dass so etwas nur im Film funktionierte.
    Der Wagen erfasste das Tor mit beinahe sechzig Meilen die Stunde, und wenn auch die Wucht nicht ausreichte, um die Kette zu sprengen, so genügte sie immerhin, um die verrosteten Angeln zu zerbrechen. Einen Augenblick lang war Ardeths Kopf vom Knirschen des Metalls und dem Anblick schwarzer Gitterstangen erfüllt, die über den Wagen flogen. Dann war der BMW hindurch, und sie riss das Steuer wie wild herum, um nicht in den Graben zu fahren.
    Sie bremste scharf, so dass der Kies aufspritzte, und brachte den Wagen quer zur Fahrbahn zum Stehen. Sie atmete tief durch und blickte auf ihre Hände, die das Steuer hielten. Sie waren ganz ruhig. Ihr Herz schlug wie wild, aber dann erkannte sie, in schnell verfliegender Überraschung, dass es sich dabei um Erregung und nicht um Angst handelte. Sie hatte keine Angst gehabt. Einen Augenblick lang gab sie sich genüsslich dieser Erkenntnis hin und sah dann zu Rossokow hinüber.
    Er saß ganz still auf dem Beifahrersitz, sich mit einer Hand am Türgriff festhaltend. Das Weiße, durch das sich seine Knöchel abgezeichnet hatten, war gerade wieder am verblassen. »Nun«, sagte er nach einer Weile, »das war tatsächlich schneller, als umzukehren.« Er warf einen Blick auf das Tor, das wie zerbrochene Flügel über die Einfahrt hing. »Wir sollten sie wieder aufrichten, so gut es geht.«
    »In Ordnung.« Als sie aus dem Wagen gestiegen war, warf Ardeth einen Blick auf die vordere Stoßstange und entschied, dass die Beulen

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