Die Nacht von Granada
aus der Krypta geholt hatte. Ihre Mienen hatten nichts Gutes versprochen. Sogar mit ihm, der ihnen doch geholfen hatte, hatten sie nur das Allernotwendigste geredet. Ihr Hass auf alles, was christlich war, wuchs von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. Das Feuer, das ihre heiligen Schriften soeben zum Großteil vernichtet hatte, würde ein Übriges tun. »Hast du daran schon einmal gedacht? Die Mauren Granadas haben es gründlich satt, von uns Christen wie Lämmer zur Schlachtbank geführt zu werden. Es wird Blutvergießen geben, Bruder, und damit Tod und noch mehr Elend auf allen Seiten! Lass uns das verhindern!«
Er erntete nur ein kleines müdes Lächeln, das den Erzbischof bereits große Anstrengung zu kosten schien.
»Du hast seit jeher zu Übertreibungen geneigt, Bruder Manolo«, sagte Talavera. »Schon damals im Kloster, ich erinnere mich noch sehr genau, als ein paar von uns einen jungen Schwan geschlachtet und gebraten haben, der dir ans Herz gewachsen war, und du uns alle dafür schon in der Hölle schmoren sahst. Vergiss nicht, wir alle sind in Gottes Hand. Er allein bestimmt unsere Geschicke. Sobald mein Schmerz ein wenig nachgelassen hat, werde ich für die beiden im Kerker beten. Was ich dir übrigens auch empfehle. Du bist schließlich Priester – und kein Mann der Politik oder gar des Heeres.«
Der Priester starrte ihn fassungslos an. Konnte oder wollte sein früherer Wegbegleiter nicht begreifen, welch Inferno Granada womöglich bevorstand?
Doch solange er ihn auch erwartungsvoll anschaute, in dem leidenden, zerfurchten Antlitz, das ganz und gar nach innen gekehrt schien, fand er keine Antwort auf seine Bitten.
Padre Manolo seufzte leise, dann drehte er sich um und verließ wortlos den Raum.
»Es ist unmöglich. Wir sind wie zwei Schiffe auf verschiedenen Meeren, die niemals Seite an Seite segeln werden.« Nuris Stimme klang traurig. »Das müssen wir beide so hinnehmen.«
»Es ist möglich – vertrau mir!«, widersprach Miguel leidenschaftlich. »Gemeinsam können wir alles schaffen – auch die stürmischste See!«
»Pst! Nicht so laut. Oder willst du, dass sie jedes Wort mithören kann?«
Das galt Djamila, die mit ihnen hinüber in Kamals Haus gegangen war, um einige Kissen und Decken für die Nacht zu holen. Zusammen mit Pilar und Lucia hatten sie hier stundenlang tüchtig aufgeräumt, nachdem die Tür repariert worden war und man keine Einbrecher mehr fürchten musste. Alles Zerbrochene war weggeräumt, der Schmutz gesäubert, die schlimmsten Schäden beseitigt, so gut es ihnen möglich gewesen war. Und dennoch strahlte das einstmals so behagliche Haus eine Einsamkeit aus, die alle frösteln machte.
Hier mochte niemand mehr wohnen.
»Und wenn schon!«, sagte Miguel. »Zeigt sie uns nicht durch ihr Beispiel, dass es möglich ist? Sie trägt das Kind von Antonio und beide sind glücklich darüber. Sei mutig, Nuri! Bald werden es ohnehin alle wissen.« Er breitete die Arme weit aus, als wollte er die ganze Welt umfangen. »Was wenn nicht Liebe könnte uns jetzt noch retten?«
Er sah die Angst und die Hoffnung, die abwechselnd über ihr Gesicht glitten, und liebte sie nur noch mehr dafür.
Hatte er sie nicht seit jeher gekannt? Dass es nicht so war, wusste Miguel, und doch fühlte er sich ihr so nah, dass er beinahe selbst davon überzeugt war.
Nuri sah ihn an mit ihren großen dunklen Augen, die ihm im Licht der Ölfunzeln, die sie rasch entzündet hatte, um sich zurechtzufinden, wie schwarze Sterne erschienen.
»Du träumst einen wunderschönen Traum, Miguel Ortíz«, flüsterte sie. »Aber Träume sind begrenzt. Und sehr gefährlich. Wenn man aus ihnen aufwacht, dann gibt es im richtigen Leben unüberwindliche Hindernisse, vor allem zwischen Mauren und Christen. Ein Graben trennt uns, so tief wie die Unendlichkeit!«
»Wer sagt das?«, fuhr er auf, während sie ein paar Decken zusammensuchte. »Etwa die Leute da draußen? Lass sie doch reden! Das ist mir ganz und gar egal. Sie wissen nichts! In meinem Herzen sieht es ganz anders aus.«
»Deine Leute da draußen verbrennen gerade alles, was meinen Leuten heilig ist«, erwiderte Nuri heftig. »Das hast du uns doch vorhin mit deinen eigenen Worten berichtet! Noch sind es arabische Bücher, die sie ins Feuer werfen. Was aber, wenn es schon bald Mauren aus Fleisch und Blut sein werden?«
»Deshalb müssen wir ja fliehen!« Eine Locke war ihm in die Stirn gefallen und seine Augen glänzten wie im Fieber. »Damit keinem von uns mehr
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