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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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kommen«, hatte sie widersprochen. »Wir teilen uns auf, damit wir weniger auffallen. Erst im blauen Haus werden wir sicher sein.«
    Fuego war aufgesprungen, als die beiden laut geworden waren, und hatte sich mit großen Augen zwischen sie gestellt, als versuche er, den Streit zu schlichten. Seit den letzten Schlägen, die seine Familie getroffen hatte, reagierte er auf jedes noch so kleine Signal.
    Nuri gab sich Mühe, ihn mit Streicheln wieder zu beruhigen, und schließlich kringelte er sich zu ihren Füßen ein.
    Denn bisher waren sie noch immer nicht aufgebrochen, hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, Rashid würde schon im nächsten Moment mit den befreiten Gefangenen hier eintreffen, und der Angst, er könnte es doch nicht schaffen. Die meisten Zweifel hegte noch immer Antonio, der sich wegen Lucias Inhaftierung die heftigsten Vorwürfe machte.
    »Wie konnte ich sie nur solcher Gefahr aussetzen? Ich hätte damit rechnen müssen, dass sie meine Tochter als Geisel nehmen werden«, sagte er ein ums andere Mal. »Lucero schreckt vor nichts zurück, um sein widerliches Ziel zu erreichen – die Ausrottung aller Muslime Granadas. Wenn sie meiner Tochter etwas antun, das würde ich mir niemals verzeihen!«
    »Hör bitte auf mit deinen Selbstvorwürfen!«, rief Nuri entschlossen. »Meine Freundin ist stark, das weiß ich. Was ich ertragen habe, das schafft auch Lucia. Größere Sorgen mache ich mir um Papa. Falls ihm die Flucht gelingt, dann braucht er dringend einen Heilkundigen. Doch woher sollen wir in dieser Nacht solch einen Mann herbekommen?«
    »Ich gehe Padre Manolo fragen.« Pilar hatte sich erhoben. »Ich weiß, wie gut er Imam Hasan kennt. Die beiden sind seit Langem befreundet. Vielleicht weiß ja der muslimische Gelehrte Rat. Sobald ich zurück bin, machen wir uns auf den Weg. Rashid kennt das blaue Haus. Ich habe ihm den Weg beschrieben. Womöglich sind sie sogar bereits dorthin unterwegs.«
    »Du willst in dieser Nacht allein hinaus? Du musst verrückt geworden sein!«, rief Antonio entsetzt. »Sollen wir jetzt auch noch um dich bangen? Hast du nicht gesehen, wie hell der Himmel über Granada geworden ist, Schwägerin? Die halbe Stadt steht in Flammen!«
    »Und wenn schon!« Sie begann sich zu verhüllen. »Weißt du denn eine andere Möglichkeit?«
    »Und wenn Rashid gar nicht mehr kommt?« Saidas Stimme klang verzweifelt. »Wenn ich in dieser schrecklichsten aller Nächte nicht nur den Mann verliere, sondern meinen einzigen Sohn mit dazu? Das würde ich nicht überleben!« Sie begann haltlos zu schluchzen.
    Lautes Klopfen ließ alle zusammenfahren.
    »Das sind sie!«, rief Nuri. »Papa, Rashid und Lucia – ich komme!« Sie sprang auf, lief zur Tür und öffnete sie, bevor jemand von den anderen sie daran hindern konnte.
    Doch nicht die so innig Ersehnten standen vor ihr, sondern ein Mann mit einem länglichen Gesicht, das grau wie Sackleinen war.
    »Rettet mich!«, rief er bang. »Sie wollen mich umbringen. Ihr seid meine allerletzte Hoffnung!«
    Es war Emilio – der Vorarbeiter der Fliesenleger auf der Alhambra, der Kamal und Rashid so übel schikaniert hatte!
    In Nuri sträubte sich alles vor Ablehnung. Der rote Kater war ebenfalls aufgesprungen und begann dicht neben ihr, den Fremdling anzufauchen, wie man es bisher noch nicht von ihm gehört hatte.
    »Was willst du hier?«, sagte Miguel scharf, dem der Mann unbekannt war, der jedoch zu spüren schien, was in Nuri vorging. »Wer bist du überhaupt?«
    »Mauren!«, stieß Emilio hervor. »Sie haben mich verfolgt, nein, erbarmungslos gejagt haben sie mich wie einen flüchtenden Hasen. Überall werfen sie brennende Fackeln in Christenhäuser, wisst ihr das, um alles dem Erdboden gleichzumachen! Und ich habe gehört, dass sie einigen von uns bei lebendigem Leib die Haut abgezogen haben sollen …«
    »Hör auf mit diesem Unsinn!« Antonio ließ ihn nicht ausreden. »Ein Schinder und Maurenhasser ist er, der Kamal und Rashid Tag für Tag das Leben schwer gemacht hat. Wie viele Male hat mein Freund mir davon berichtet! Und jetzt kommst du ausgerechnet zu uns?«
    »Siehst du denn nicht, was sie mir angetan haben?«, winselte Emilio und streckte ihm anklagend seinen Arm entgegen. Der Ärmel war zerfetzt und enthüllte brandiges Fleisch, dunkelrot und von hässlichen aufgeworfenen Blasen verunziert. »Mit brennenden Fackeln haben sie mich geschlagen! Und wäre ich nicht geschwind davongelaufen, stünde ich jetzt sicherlich von Kopf bis Fuß in

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