Die Nacht von Granada
erstrebte Ziel erreicht hatte und schließlich auf ihrer Schulter gelandet war, wo er es sich laut schnurrend bequem machte.
Lucia gab sich Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen.
Hatte Fuego nicht gerade noch die Nacht auf ihrem Kissen verbracht, als wären sie seit jeher unzertrennlich? Und war sie nicht schon in der ersten Dämmerung erwacht, als er ihr übermütig die Decke weggezerrt hatte, um hinunter in die Küche zu schleichen, wo sie etwas Essbares für ihn zusammengesucht hatte? Wie glühend hatte sie den neuen Hausgenossen gegen die Einwände Djamilas verteidigt, die alles andere als erfreut über seinen Anblick gewesen war – und nun das!
Fuego tat, als hätte er sie noch nie im Leben gesehen.
»Er scheint mich zu mögen«, sagte Nuri hingerissen, während sie die rot-weiß-getigerte Pfote streichelte, die träge über ihrer Brust baumelte. »Ich denke, weil der Kleine spürt, dass ich es gut mit ihm meine.«
Und ich etwa nicht?, hätte Lucia beinahe hervorgestoßen, biss sich aber im letzten Augenblick auf die Zunge.
»Vielleicht sollten wir ihn Schlingel oder Schmeichler nennen«, sagte sie stattdessen mit leicht säuerlicher Miene. »Denn so einer scheint er mir zu sein – nicht viel anders übrigens als sein menschlicher Entdecker.«
Jetzt hatte sie Nuris gesamte Aufmerksamkeit gewonnen.
»Erzähl mir von Miguel«, bat sie. »Was genau hat er gesagt?«
»Noch einmal?«
»Noch einmal!«
Gehorsam wiederholte Lucia die wenigen Sätze, die der junge Mann und sie am Vorabend getauscht hatten, eine durchaus übliche Unterhaltung, wären da nicht diese merkwürdigen Zwischentöne gewesen, an die sie sich sehr wohl erinnerte, von denen sie jetzt aber tunlichst nichts erwähnte. Warum genau sie es verschwieg, hätte sie gar nicht sagen können.
Vielleicht wegen des seltsamen Lichts in Nuris Augen, das sich jedes Mal zeigte, sobald Miguels Name fiel? Und wegen der Anspannung auf ihrem lieblichen Gesicht, die nicht einmal bei der vierten Wiederholung banaler Worte verschwinden wollte?
»Du hast dich doch nicht etwa in ihn verguckt?«, fragte Lucia plötzlich. »Denn immer, wenn die Rede auf ihn kommt, bist du plötzlich ganz verändert.«
»Hast du jetzt den Verstand verloren? Verguckt in einen Christen, mit dem ich gerade ein einziges Mal gesprochen habe – niemals! Das bildest du dir nur ein.«
Nuri war so überstürzt aufgesprungen, dass Fuego die Balance verlor und kopfüber von ihrer Schulter rutschte. Sofort machte er sich daran, den verlorenen Platz zurückzuerobern. Doch das misslang, weil Nuri sich nun dagegen wehrte. Schließlich erklomm er den Rand des Bassins und starrte ins leise plätschernde Wasser. Nur der zuckende Schwanz verriet seine Aufregung.
»Du kannst es ruhig zugeben«, sagte Lucia. Ihr war die feine Röte auf Nuris Wangen nicht entgangen. »Mir liegt ohnehin nichts an ihm. Gar nichts, wenn du es ganz genau wissen willst!«
»Das glaubst du doch selbst nicht!«, rief Nuri. »Du solltest dich mal hören. Miguel hier – Miguel da – Miguel überall. Als ob du es kaum erwarten könntest, ihn noch einmal zu treffen!«
Nuris leidenschaftlich hervorgestoßene Worte beschworen in Lucia ein ganz anderes Bild herauf – Rashid, der mittlerweile alle ihre Träume beherrschte. Von Tag zu Tag wurde die Sehnsucht nach ihm stärker. Was bedeutete dagegen schon dieser fremde Junge mit den goldenen Augen, der von irgendwo zurückgekehrt war und, wie er sagte, Olivenbäume liebte?
»Lass uns von etwas anderem reden«, sagte sie, um sich nicht zu verraten. »Miguel würde sich vermutlich ins Fäustchen lachen, könnte er uns wie zwei aufgescheuchte Hennen aufeinander losgehen sehen – und das alles nur seinetwegen! Meinst du nicht, er ist schon aufgeblasen genug? Tante Pilar behauptet immer, genau das seien die Männer, die ihren künftigen Ehefrauen einmal wenig Freude bereiten werden. Und sie muss es ja schließlich wissen!«
Lucia tat Miguel damit unrecht, das wusste sie, aber auf die Schnelle war ihr nichts anderes eingefallen. Und auch die fromme Tante, die am liebsten betete, hatte eigentlich Besseres verdient, wenngleich ihre ständigen Ermahnungen über Männer und Frauen bisweilen unerträglich waren.
Nuri schenkte ihr ein kleines Lächeln.
»Schon möglich«, räumte sie ein. »Du kennst ihn ja schließlich besser als ich. Verzeih, dass ich eben wütend geworden bin. Aber ich bin so müde, dass mir fast die Augen zufallen. Weil ich die halbe Nacht gelauscht habe, ob
Weitere Kostenlose Bücher