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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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innere Anspannung wuchs. Die Vorarbeiten am Bergkristall hatten ihm gezeigt, wie schwierig das Vorhaben war – und der Saphir war noch um einiges härter!
    Er musste an der Rondiste* beginnen und den ersten Kranz von drei Ecken setzen, um sich später von dort aus weiter nach oben und unten vorzuarbeiten. Mit größter Behutsamkeit nahm er den Edelstein in die rechte Hand, während seine linke die Kurbel der Schleifmaschine zu drehen begann.
    Er würde ihn nicht in den Holzstock einspannen, sondern direkt aus der Hand bearbeiten, um noch mehr Gefühl zu haben. Ein Risiko, wie Kamal wusste, doch er war bereit, es einzugehen.
    Anfangs lief alles glatt.
    Wie früher vergaß Kamal die Welt um sich herum. Sogar die drängenden Sorgen waren mit einem Mal aus seinem Kopf verschwunden. Es gab nur noch das Ächzen der Scheibe, auf der eine dünne Lage von Diamantstaub schimmerte, und die Sicherheit seiner Finger, die den Hyazinth immer wieder in die richtige Position brachten, um ihn irgendwann zu einer funkelnden Rose zu formen. Er spürte, wie er innerlich immer leerer wurde, ganz im Dienste dessen, was gerade von ihm erschaffen wurde.
    Plötzlich hörte er das Rattern eines Karrens über holpriges Pflaster, gefolgt von genagelten Stiefeln – und mit einem Ruck war alles wieder da: die hämischen Mienen der Rotkappen, Saidas haltloses Weinen, Rashid, der sich wieselgleich durch die Menge in der Christenkirche schlängelte, um der Zwangstaufe zu entkommen.
    Kamals Rechte begann zu zittern. Gerade noch gelang es ihm, sie rechtzeitig von der Schleifscheibe wegzuziehen.
    Er sprang auf, hielt bebend den Hyanzinth an das nächste Öllicht. Ein winziger Fehler, den nur ein sehr geschultes Auge überhaupt entdecken würde. Mit großem Fingerspitzengefühl ließ er sich noch korrigieren.
    Erleichtert sank Kamal auf seinen Hocker zurück. Nicht auszudenken, hätte er auch nur einen Augenblick weiter geschliffen!
    Eine Weile blieb er regungslos sitzen, dann jedoch begann sein Verstand wie gewohnt zu arbeiten. Er brauchte Morgenlicht, um den Patzer von eben auszugleichen.
    Und Schlaf – jede Menge Schlaf!
    Sorgfältig wie immer räumte er seinen Arbeitsplatz leer und säuberte alles wie gewohnt. Danach legte er den Hyazinth auf das graue weiche Tuch, schlug ihn behutsam darin ein und trug ihn zurück in das Versteck, das außer ihm nur Antonio kannte.
    Die Wandfliese war zurück an ihrem Platz. Selbst ein geschultes Auge würde nicht erkennen, was sich dahinter verbarg.
    Kamal löschte die Lichter. Jetzt erst spürte er, dass er bis in die Knochen erschöpft war.
    »Nuri?«
    Sooft sie auch rief, drüben auf dem Dach blieb alles still.
    Lucia wickelte sich das zweite Tuch um die Schultern. Was hätte sie jetzt darum gegeben, der Freundin all das Wunderbare und Aufregende zu erzählen, das sie heute erlebt hatte!
    Die Worte brannten in ihrem Mund, als könnten sie es kaum erwarten, ausgesprochen zu werden – und doch durfte sie diesem Drängen niemals nachgeben.
    Nuri würde sie hassen, sollte sie die Wahrheit erfahren.
    Aber würde sie das nicht erst recht tun, wenn irgendwann herauskam, dass Lucia sie belogen hatte?
    Ich bin gefährlich für dich , hatte er gesagt. Um vieles gefährlicher, als dir vielleicht bewusst ist.
    Was genau meinte er mit »gefährlich«? Dass die verbotene Liebe zu ihm sie womöglich zwang, ihre tiefe Freundschaft mit Nuri aufs Spiel zu setzen?
    Plötzlich überlief es Lucia eiskalt. Was dachte sie da überhaupt? Durfte der Preis für die Liebe jemals Verrat sein?
    In diesem Moment berührte etwas Weiches ihre Wade und sie schrie erschrocken auf.
    Fuego zuckte ebenfalls zurück und machte einen hohen Satz zur Seite.
    »Kleiner Freund!« Jetzt lockte sie ihn zärtlich. »Wie in aller Welt bist du denn auf das Dach gekommen?«
    Er stieß ein kurzes Gurren aus, ließ sich widerstandslos hochnehmen und schmiegte sich sogar vertrauensvoll in ihren Arm.
    Mit einem Mal wurde es Lucia leichter ums Herz. Wie gut, dass sie vereinbart hatten, sich beide an ihm zu erfreuen! Fuego schien stets zu spüren, wer ihn gerade am dringendsten brauchte.
    Nuri und sie würden sich nicht verlieren – niemals! Doch was Rashid betraf …
    Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Sie vertrieb die schwermütigen Gedanken und behielt nur die glückseligen zurück.
    Mit einem schwärmerischen Lächeln trug sie den Kater hinunter in ihr Schlafzimmer.

5
    D er erste Schnee auf den Gipfeln der Sierra Nevada!
    Kamal wollte seinen Augen

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