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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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klebte der kratzige Wollstoff unangenehm am Körper.
    Er würde hinübergehen, einen heißen Tee trinken und dann …
    Sein Blick flog zur Tür, durch die Gaspar noch einmal eingetreten war.
    »Eines noch«, sagte er. »Ihr wolltet doch wissen, wem das Schmuckstück einmal gehören soll.« Er legte eine bedeutungsvolle Pause ein.
    Unfähig zu reden, bewegte Antonio nur leicht den Kopf.
    »Es ist zwar immer noch ein großes Geheimnis«, fuhr Gaspar fort, »doch jetzt, wo der Ring bald fertig sein wird, will ich eure Neugierde nicht länger strapazieren. Und ich bin sicher, ihr werdet das Geheimnis für euch behalten…«
    Er kam näher, beugte sich mit spitzbübischer Miene über die Werkbank.
    »Lucero«, flüsterte er. »Dessen Rotkappen gerade so fleißig in der Stadt aufräumen. Es ist sein Ring. Der Ring des Inquisitors.«
    Mit diesen Worten wandte er sich um und verließ die Werkstatt.
    Noch eine Weile hörte Antonio draußen sein fröh liches Pfeifen, das langsam leiser wurde, wie eine Tanzweise, die sich langsam entfernte, während drinnen in der Werkstatt eine eisige Hand so grob nach seinem Herzen griff, als wollte sie es nie wieder loslassen.
    Eine kleine Ewigkeit hatte Lucia vergeblich auf den Schlaf gewartet, der sie sonst meistens sanft in seine Arme nahm und forttrug, kaum dass ihr Kopf das Kissen berührte. Doch all das, was in den letzten Tagen geschehen war, ließ sie nicht mehr zur Ruhe kommen.
    Dabei war sie todmüde, der Körper hart vor Anspannung, die Muskeln im Nacken steif, als hätte sie über Stunden schwere Lasten getragen.
    Wieso fiel ihr ausgerechnet jetzt wieder ein, was Miguel über seinen letzten Ritt in die Berge erzählt hatte?
    »Überall das Gold und Rot des Herbstes, dazwischen das Silbergrün der Olivenbäume. Und Früchte, Lucia, die süßesten und besten Oliven, die du dir nur vorstellen kannst …«
    Er muss mich mit Nuri verwechseln, dachte sie säuerlich, weil dieser Gedanke ihr noch immer nicht gefiel. Nuri, die den Atem anhält, wenn er in ihrer Nähe ist, und nicht genug bekommen könnte von all den Tälern und Bäumen und Pflanzen, von denen er ständig redet. Nuri, die schon rot wird, wenn sie nur an ihn denkt.
    Seltsam, dass sie das alles nicht gleichgültiger ließ!
    Dabei war ihr ganzes Fühlen und Wollen doch eigentlich von Rashid erfüllt, einem Rashid freilich, der sie heute ignoriert hatte, als sie ihm freudig überrascht hinterhergerufen hatte. Dabei war er sogar kurz stehen geblieben, unweit seines Elternhauses, das er offenbar besucht hatte, um über die Schulter rückwärts zu spähen – und danach nur umso schneller loszuspurten.
    Ob es ihr Anblick gewesen war, der ihn in die Flucht getrieben hatte, weil er den Kuss am Flussufer am liebsten ungeschehen machen wollte? Der Gedanke war zu schmerzlich, um sich allzu lange bei ihm aufzuhalten. Außerdem spürte Lucia, wie ihre Lider immer schwerer wurden.
    Morgen werden wir weiter für unsere Väter kämpfen, dachte sie, während sie immer schläfriger wurde. Morgen finden wir eine Lösung …
    Ein Wispern weckte sie, ein leises Geräusch – und ein Geruch, den sie unter Dutzenden heraus gekannt hätte.
    Lucia schlug die Augen auf. »Rashid?«, flüsterte sie, obwohl sie eigentlich wusste, dass sie träumen musste.
    »Ja?«, sagte jemand in der Dunkelheit.
    Erschrocken fuhr sie hoch und zog die Decke über ihre Brust.
    »Hab keine Angst«, sagte er leise. »Man kann fast nichts sehen. Selbst wenn man wollte.«
    »Wie bist du hier hereingekommen?«, flüsterte sie und versuchte, ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen. »Mein Vater schließt die Haustür doch jeden Abend eigenhändig zu.«
    »Ich weiß.« Es klang, als ob er ein Lachen unterdrückte. »Mein alter Weg, du erinnerst dich? Was man als kleiner Junge lernt, kann später manchmal sehr nützlich sein.«
    »Über das Dach?« Er musste den Verstand verloren haben! Trotzdem spürte sie, dass wilde Freude sie durchflutete.
    Er hatte seinen Hals riskiert – ihretwegen!
    »Ganz genau. War gar nicht so schwer. Immerhin sind meine Beine jetzt länger als damals.«
    Nebenan schliefen ihr Vater und Djamila. Wenn er seine junge Geliebte mitten in der Nacht verließ, wie er es manchmal tat, um hinüber in sein eigenes Zimmer zu gehen … Der Gedanke ließ sie erschaudern.
    »Du hättest nicht kommen dürfen«, murmelte Lucia.
    »Nein?« Jetzt saß Rashid neben ihr. »Aber ich musste!«
    »Weshalb?«, flüsterte sie. »Damit du mir wieder wehtun kannst wie heute

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