Die Nacht von Granada
nach meinen Regeln und Vorstellungen führen. Natürlich respektiere ich die Wünsche der Katholischen Könige. Doch was Glaubensdinge anbelangt, so gibt es für mich auf dieser Welt nur eine einzige Instanz: den Heiligen Vater in Rom. Habt Ihr das verstanden, Bischof Cisneros?«
Der andere fuhr herum, als wäre er auf eine giftige Natter getreten.
»Das ist doch nichts anderes als die schmutzige Sprache unreinen Blutes! Sollte also tatsächlich wahr sein, was man schon lange hinter Eurem Rücken raunt? Dass Ihr selbst von Marranen* abstammt und Eure direkten Vorfahren Juden waren? Dazu würden Eure frevelhaften Ketzerworte trefflich passen!«
Noch immer blieb das blasse und von feinen Falten gefurchten Gesicht Talaveras gelassen. Nur seine schmalen Hände begannen zu flattern wie ein aufgeregter Vogelschwarm.
»Von der Erde sind wir genommen – und zur Erde werden wir zurückkehren. Keiner von uns vermag die Nachkommenschaft Adams abzustreifen, bis wir eines Tages diese irdische Hülle verlassen dürfen. Ich weiß, für Euch ist unsere schöne Erde ein Jammertal, von dem Ihr Euch durch übertriebene Buße zu reinigen sucht. Zu diesem Zweck jedoch Mitbrüder zu verleumden, um den eigenen Verdienst größer erscheinen zu lassen, ist gewiss der falsche Weg. Sonst könnten am Tag des Jüngsten Gerichts die Pforten des Paradieses womöglich für Euch verschlossen bleiben – Bruder Jimenes!« Seine Absätze hieben dabei auf das steinerne Pflaster, als wollten sie es in Stücke zerschlagen.
»Ihr weigert Euch also ausdrücklich, meine Maßnahmen zu unterstützen?«
»Keine Zwangstaufen mehr bis auf Weiteres, das ist mein letztes Wort! Und habt gefälligst ein strengeres Auge auf das, was Inquisitor Rodriguez Lucero und seine Söldner in meiner Stadt anrichten! Andernfalls sehe ich mich leider gezwungen, die Königin um ein Regiment zu ersuchen, um geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen!«
Gespenstisch still war es auf einmal in den lauschigen Gärten geworden. Kein Vogellaut mehr, sogar das Plätschern des Wassers schien leiser geworden zu sein.
»Sie streiten – sie streiten!« Eine durchdringende Stimme ließ alle zusammenzucken.
Gehörte sie einem Kind oder nicht doch eher einem missgestalteten Wesen der Nacht? Das Geschöpf jedenfalls, das sich auf winzigen Beinen vorwärts bewegte, war so kurz geraten, dass es einem ausgewachsenen Mann kaum bis zum Gürtel gereicht hätte. Sein Kleid aus schwerem blauem Samt schleifte nachlässig am Boden und zog einen bunten Blätterwirbel nach sich. Um den Hals schmiegte sich ein Fuchspelz und die pummeligen Gelenke waren mit schimmernden Perlenschnüren umwickelt.
Die Hofnärrin der Königin! Und wo die Zwergin Lola war, konnte auch Isabella von Spanien nicht weit sein.
Tatsächlich folgte auch dieses Mal der winzigen Person Ihre Majestät auf dem Fuße, gefolgt von einigen dunkel gekleideten Hofdamen, die mit dem energischen Tempo der Monarchin kaum Schritt zu halten vermochten.
Kamal, der abwechselnd blass und rot geworden war, verfiel in eine Art Starre. Was hatte er nicht schon alles über Königin Isabella gehört! Doch was er nun zu sehen bekam, war übler als all seine Erwartungen. Unter rotblondem, leicht schütterem Haar dehnte sich ein schlaffer Körper aus, den das Kleid aus blauem Samt unvorteilhaft wie einen nassen Sack wirken ließ. Das Gesicht war flächig und bleich, an Stirn und Wangen von kleinen Inseln trockenen Schorfs bedeckt. Am schönsten empfand er noch die hellen Augen, weit auseinander liegend, die wach und aufmerksam in die Welt schauten.
»Die Herrn Erzbischöfe?« Beiden Männern gönnte sie nur ein kühles Nicken. »Und schon wieder im theologischen Disput verstrickt?« Die Stimme der Königin war klar wie die eines jungen Mädchens.
»Nein, Majestät. Sie streiten – sie strei-ten!«, trompetete Lola ungefragt los. »Gleich werden sie sich an die Gurgel gehen. Ich hab’s genau gehört!«
Das ärgerliche Knurren der Monarchin ließ sie abrupt verstummen.
»Was gibt es Neues über die Maurenmission zu berichten?«, fragte Isabella und strafte mit ihrem eisigen Blick den scheinbar leutseligen Ton Lügen.
»Wir ringen noch um die richtige Vorgehensweise«, erklärte Erzbischof Talavera. »Während ich nach wie vor für Geduld und Milde plädiere, will der Erzbischof von Toledo unbedingt …«
» Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert , hat unser Erlöser gesagt«, unterbrach Cisneros ihn schroff. » Denn
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