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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ihm sein großes Maul stopfen würde. Der dritte Junge, der um die zwölf ist, wirkt komplett zugedröhnt, der würde mir keine Schwierigkeiten machen. Er latscht herum und kickt ziellos gegen die Straße. Das Messermädchen scheint die einzige weitere Kämpferin zu sein, vermutlich steht sie an zweiter Stelle der Hierarchie.
    Dummerweise weiß Wildgirl nicht, dass man sich mit dem Gnom nicht anlegt, ganz egal, was er zu einem sagt. Sie schwenkt ihre Tasche auf Baby zu. »Einen. Scheißdreck. Geb. Ich. Euch. Kleinen. Rotzlöffeln.«
    Baby duckt sich und weicht aus, ohne den Blick von Wildgirl zu wenden.
    »Ist ja Horror, deine große Klappe.« Der Gnom klingt fast beeindruckt, aber ich bemerke, wie er mit einerHandbewegung das Messermädchen vorschickt. »Wenn du von hier wärst, könnt ich dich glatt fragen, ob du bei uns mitmachst.«
    »Gib sie ihm«, sage ich tonlos zu Wildgirl.
    Sie starrt mich an. »Was?«
    »Gib ihm deine Tasche. Sie nehmen nicht das, was du denkst.«
    »Braver Hund.« Der Gnom schaut mich mit Mitternachtsaugen an. Eine heiße Welle schießt von meinem Bauch nach oben. Wenn ich allein wäre, wäre ich ernstlich versucht, es mit ihm aufzunehmen. Den anderen Jungen und das Mädchen hab ich aus den Augen verloren. Plötzlich merke ich, dass sie beide gefährlich nah hinter mir stehen.
    »Noch einen Schritt, dann hau ich euch eine rein«, warne ich sie. Ich brauche nicht laut zu werden. Wenn ich sauer bin, bin ich drei Meter groß.
    »Huch!« Das Mädchen schürzt die Lippen und tut so, als hätte sie große Angst. Der Junge lacht über etwas, was nur er sehen kann.
    Wildgirl reicht Baby die Tasche. Man sieht ihr an, wie sehr es ihr gegen den Strich geht. Baby stellt die Tasche auf den Boden und durchwühlt sie mit seinen klebrigen Dreckfingern. Er müsste sich dringend mal waschen. Das rieche ich bis hier.
    Er kümmert sich nicht um Wildgirls Handy und Brieftasche, holt eine Packung Kaugummi heraus, eine Tüte Geleebohnen und eine Blisterpackung Halstabletten, wirft sie dem Messermädchen zu, und die stopft sie mit einer Hand vorn in ihren Pulli.
    Als Baby mit der Tasche durch ist, kickt er sie zuWildgirl zurück. Dann stellt er sich neben den Gnom und wartet auf ein Lob, das nicht kommt.
    Ich denke schon, das war’s, als der Gnom den Mund aufmacht. »Leibesvisitation.«
    Im Nu springt das Koboldäffchen von Babys Schulter zu Wildgirls Füßen. Angewidert starrt sie auf das Vieh. Das Koboldäffchen legt ihr erst die eine Pfote auf den Fuß, dann die andere. Es fasst in den Schaft ihrer Stiefel, fährt einmal darin herum und klettert dann langsam an ihren Beinen hoch. Es steckt die langen Finger in die Taschen ihrer Shorts und klettert tastend höher. Wildgirl steht reglos da, doch ihre Beine zittern. Sie atmet hörbar durch die Nase. Ich folge ihrem Blick zu dem Messermädchen, das die Waffe aus der Tasche geholt hat und sie beiläufig hochhält, als wollte sie Äpfel schälen.
    Das Koboldäffchen beendet seine Suche ohne Ergebnis. Es flitzt zurück zu Baby und hüpft mühelos vom Boden auf die Schulter des Jungen.
    »Danke für das Geschäft, Leute.« Der Gnom grinst und schlendert zu seinem Rad.
    Ich hebe Wildgirls Tasche vom Boden auf. »Ich weiß nicht, warum ihr euch mit solchem Kleinkram abgebt«, sage ich zu spät. Als der Gnom keine Antwort gibt, lege ich einen Arm um Wildgirl und gehe mit ihr davon.

neun
    Endlich in Sicherheit. Wir sind in Guadalupes Wohnmobil, das rosarot ist wie das Innere einer Wassermelone und gnadenlos vollgestopft.
    Ich komme mir vor wie eine Marionette, der man die Fäden durchtrennt hat; meine Beine zittern so heftig, dass ich kaum die Stufen hochgekommen bin. Ich weiß, dass Wolfboy viel schneller hätte rennen können und sich nur mir zuliebe zurückgehalten hat.
    Guadalupe ist eine kräftige Frau in einem psychedelischen Zeltkleid. Sie hat die Haare tomatenrot gefärbt und trägt korallenroten verschmierten Lippenstift, doch ihr Blick ist klar und scharfsinnig. Sie sieht verrückt aus, aber ich weiß sofort, dass sie das nicht ist. Als ich ihr die Hand gebe, dreht sie meine Handfläche nach oben und zeichnet mit lila glänzenden Fingernägeln die Unterseite meines Arms nach.
    »Nur Döner, Lupe.« Wolfboy zieht meinen Arm weg und baut sich zwischen uns auf. Das wirkt ein bisschen überfürsorglich, zumal es seine Idee war, hierherzukommen. Nicht dass ich vorgehabt hätte, einfach herumzustehen, nachdem die Bande mit uns fertig war.
    Lupe ist nicht beleidigt.

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