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Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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seit – wie lange? – höchstens ein paar Stunden, und schon jetzt ist er mein Rettungsanker an diesem seltsamen Ort. Das geht so nicht. Ich muss taffer sein. Ich kann auch allein ein Abenteuer in diesem großen, verrückten Laden erleben. Wolfboy hat mir schon mehr als genug dabei geholfen, meine Probleme zu vergessen.
    »Ein Produzent«, murmelt Paul und schaut in sein Glas. »Ein großer Musikproduzent.«
    Eine Pause entsteht. Ich kippe mein Sodawasser runter und stelle das Glas auf den Boden, hänge die Tasche über die andere Schulter und schaue auf meine Füße. Paul wirkt nicht gerade begeistert darüber, mit mir allein zu sein. Aber vielleicht ist er auch nur abgenervt, weil seine Freunde ihn stehen lassen haben, um mit jemand Wichtigem zu quatschen.
    Das mit Indien hab ich nur für Wolfboy erfunden, eswar das erste Land, das mir einfiel. Einen Reisepass hab ich schon, der wartet nur darauf, dass ich mit der Schule fertig bin und genug Geld gespart habe, um wegzufahren. Irgendwohin, Hauptsache nicht Plexus. Ich kann die Beschimpfungen wegstecken und die Schmierereien auf meinem Schließfach, und ich werd damit fertig, dass ich beim Mittagessen allein am Tisch sitze, aber das hier? Damit komme ich nicht klar. Den Tag heute hab ich hinter mich gebracht, aber ich geh da nie wieder hin.
    Lupe habe ich alles erzählt. Ich hatte es nicht vor, aber kaum waren wir allein, wollte ich es plötzlich.
    Es war gar nicht so leicht zu erklären.
    Lupe hatte keine Ahnung, wie E-Mail funktioniert oder Photoshop. Ich musste ihr erklären, wie ein paar Mädchen aus der Schule eine Montage von mir mit diesem Typ gebastelt haben, den ich noch nie im Leben gesehen habe. Dass es auf dem Foto so aussieht, als hätte der Fotograf mich in flagranti erwischt. Ich drehe mich mit offenem Top und bis zur Taille hochgeschobenem Rock zur Kamera um. Und dass man überhaupt keine Schnittstelle sehen konnte; es war nicht zu erkennen, dass sie meinen Kopf auf den Körper einer anderen gesetzt hatten. Sogar ich fand, dass es echt aussah.
    Und dann haben sie das Foto an die ganze Jahrgangsstufe gemailt. Und nicht nur das, da waren noch mehr Namen im Adressfeld, die ich überhaupt nicht kannte: Mädchen und Jungen aus anderen Jahrgängen, von anderen Schulen. Es war zu scharf, um es nicht weiterzuleiten. Jetzt haben es wahrscheinlich schon ein paar Hundert Leute gesehen. Vielleicht noch mehr. Es ist unmöglich,jedem Einzelnen klarzumachen, dass ich nicht das Mädchen auf dem Foto bin.
    Es war mir peinlich, Lupe die Geschichte zu erzählen, als hätte ich wirklich etwas Schlimmes gemacht. Ich hab ihr so ziemlich alles gesagt, nur die Sache mit der Kreditkarte und meine Fluchtpläne habe ich für mich behalten. Ich wollte von ihr nicht die üblichen Erwachsenensprüche hören. So was wie: Wird deine Mutter nicht krank vor Sorge, wenn du sie verlässt? Was machst du, wenn du kein Geld mehr hast?
    »Und, ähm, kommst du öfter hierher?«
    Ich muss ein paar Mal blinzeln, bis ich wieder in dem lärmigen Club lande. Paul schaut mich an. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich ein Mädchen bin oder dass ich nicht von hier bin, aber die Munterkeit von vorhin hat ihn verlassen. Unsicher sieht er mich mit seinen braunen Augen durch die runde Brille an.
    »Nö. Aber ist cool hier, gefällt mir.«
    »Das Little Death ist in Ordnung. Das Umbra ist auch nicht schlecht, aber irgendwie landen wir immer hier.«
    Ich dachte schon, die Leute in Shyness sind immer ängstlich oder deprimiert oder sie leben in ständiger Panik vor den Koboldäffchen, aber nein, hier ist ein Raum voller Leute, die einfach Spaß haben. Und das Beste ist, dass mich keiner kennt.
    »Ist der Laden immer geöffnet? Ich meine, wenn es immer Nacht ist, woher weiß man dann, wann man ausgeht?«
    »Er macht nie richtig zu. Aber manchmal ist mehr los und manchmal weniger. Die Leute scheinen das zuwissen. Ich meine, Shyness hat einen Rhythmus, aber es dauert eine Weile, bis man den spürt.«
    »Ich glaub, ich spür ihn noch nicht.« Ich spüre nur den Rhythmus der pulsierenden Musik, der meine Haut durchdringt und sich bis in meine Finger und Zehenspitzen ausbreitet. Lange halte ich es nicht mehr aus, ohne zu tanzen. Paul hat absolut unglaubliche Schuhe an: schwarze Lackslipper mit Fledermausschnallen. Sie stehen in krassem Gegensatz zu seinen abgetragenen Jeans und dem T-Shirt, das er auf links trägt.
    »Es ist gut, Wolfboy mit einem Mädchen zu sehen.« Paul schaut zu Thom und Wolfboy

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