Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Shyness

Die Nacht von Shyness

Titel: Die Nacht von Shyness Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
rüber, die immer noch mit dem Musiktyp zusammensitzen.
    »Wie meinst du das?«
    Zwei kreisrunde rosa Flecken flammen auf Pauls Wangen auf. Ihm dämmert offenbar gerade, dass er Wolfboy eigentlich als supercoolen Typen darstellen müsste. »Man merkt, dass er Spaß hat. Manchmal denke ich, seit sein Bruder gestorben ist, will er gar nicht mehr, dass es ihm gut geht. Als ob er sich bestrafen wollte, indem er nicht zulässt, dass er glücklich ist.«
    Sein Bruder.
    Ortolan war mit seinem Bruder zusammen.
    Und jetzt ist er tot.
    Im Club ist es noch voller geworden, sodass ich Wolfboy nicht mehr sehen kann. Wenn ich daran denke, dass er jemanden verloren hat, der ihm nahestand, wird mir traurig und elend zumute. Jetzt verstehe ich besser, weshalb im Ravens Wing so eine seltsame Atmosphäre herrschte. Weshalb Ortolan so traurig war und Wolfboy sich so unwohl gefühlt hat.
    »Ja, klar«, sage ich. Dann bin ich still. Das ist ein Trick, den ich mir bei meinem Therapeuten abgeguckt habe. Wenn man die Leute zum Reden bringen will, muss man eine weiße Wand sein, auf die sie ihre Geschichten malen wollen. Keine Bewertung, keine Reaktion, keine Neugier.
    Paul lehnt sich an die Wand, es sieht unbequem aus. Sein Glas ist leer, da ist er bestimmt gesprächig.
    »Gram war für uns alle wie ein Gott«, fährt er fort. »Er war, keine Ahnung, gut aussehend, schwer in Ordnung, kam mit jedem klar. Er und Ortie waren ein Traumpaar. Schon als ich mich noch gar nicht für Mädchen interessiert habe, hab ich die beiden angeguckt und gedacht: So was will ich auch. Eines Tages will ich so was haben.«
    »Das macht es dann ja doppelt traurig, was passiert ist«, taste ich mich vor.
    »Er ist nie drüber weggekommen.« Paul streicht sich die glatten Haare aus der Stirn. Er sieht aus, als hätte er einen Sonnenbrand dritten Grades. »Ich weiß nicht, warum ich davon angefangen habe. Ich hab zu viel getrunken.«
    Ich würde zu gern mehr erfahren, aber ich will nicht bohren. Paul sieht fertig aus, und jetzt zieht Shyness wieder alle runter.
    »Du bist ganz rot im Gesicht«, sage ich.
    »Das ist so bei uns Asiaten. Passiert immer, wenn ich trinke.«
    Ich kneife die Augen zusammen, aber ich kann ums Verrecken nicht erkennen, was Wolfboy da drüben am Tisch treibt. Auf einmal bin ich Paul sehr dankbar dafür,dass er mir ein paar Teile des Wolfboy-Puzzles geliefert hat. Die Musik ist lauter und schneller denn je, sie wummert gegen die Steinwände. Musik, in der man sich verlieren kann. Paul und ich können auch eine Weile zu zweit Spaß haben.
    »Komm, wir tanzen«, sage ich und fasse ihn am Ellbogen.

13
    Als ich mit Thom, Rick Markov und Markovs vielen Freundinnen am Tisch sitze, merke ich, dass mein Feuerzeug weg ist. Ich spiele viel mit dem Feuerzeug rum. Das hat was Beruhigendes, so wie andere Leute Nägel kauen oder mit den Fingern knacken. Manchmal klappe ich den Deckel auf und zu, dann wieder halte ich es nur in der Hand, damit es mich erdet.
    Ich klopfe noch mal die Taschen meiner Jeans ab. Nichts, nur mein Portemonnaie und die Schlüssel. In der Hemdtasche steckt mein Handy, sonst nichts. Thom neben mir labert weiter rum, er erzählt, wer uns (ihn) beeinflusst hat, und spricht von unserer nicht vorhandenen musikalischen Philosophie. Rick Markov scheint überhaupt nicht richtig wach zu sein, und zuhören tut er schon gar nicht. Die ganze Zeit streichelt er das Bein der Frau neben ihm.
    Ich halte das hier nicht mehr aus. Ohne Thom anzusehen, rutsche ich aus der Bank und stehe auf. Jemand klatscht mir auf den Arsch und eine Frau kichert.
    Auf dem Schwarzmarkt hatte ich das Feuerzeug noch. Nachdem ich es benutzt hatte, hab ich es wieder in die Tasche gesteckt, wie immer. Und dann sind wir den Kidds begegnet. Ich kann mir an fünf Fingern ausrechnen, was passiert ist. Vermutlich waren es der Jungeund das Mädchen, die hinter mir standen. Vielleicht haben sie nur so getan, als wären sie stoned, damit wir sie nicht ernst nehmen. Es wäre nicht das erste Mal, dass so was passiert. Du darfst die Kidds nie aus den Augen lassen, wenn sie zugange sind. Ich war so besorgt um Wildgirl, dass ich die einfachsten Regeln missachtet habe.
    Ich gehe dorthin, wo es am dunkelsten ist – nah an den Drahtzaun, der verhindert, dass jemand in den stillgelegten U-Bahn-Schacht fällt. Dann schlüpfe ich durch eine Lücke, wo der Zaun nicht ganz bis zur Wand reicht. Am Ende des schmalen Bahnsteigs knutscht ein schemenhaftes Pärchen rum. Ich beachte die beiden nicht

Weitere Kostenlose Bücher