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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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es sich nicht um gewöhnliche Matrosen handelte.
    Es waren harte Burschen, offenbar aus dem Bergland Südgriechenlands, mit finsteren Gesichtern und straffem, blauschwarzem Haar, und sie ähnelten sich wie Brüder. Dabei machten sie den Eindruck von Profis, aber Profis auf welchem Gebiet?
    Als wir uns der ›Firebird‹ näherten, beugte sich der eine mit dem Bootshaken ein wenig vor. Der Pullover rutschte hoch, und ich sah an seiner Hüfte eine Revolvertasche mit einer Smith & Wesson darin.
    Das war nun wirklich interessant. Andererseits war Aleko natürlich ein sehr reicher Mann, der eines gewissen Schutzes bedurfte. Hinzu kam noch die unsichere politische Lage.
    Wir legten an der Leiter an. Der Kapitän begrüßte mich persönlich. Seine prächtige Uniform hätte auch dem Kommandanten eines Ozeanriesen alle Ehre gemacht.
    Er salutierte und sagte in recht gutem Englisch: »Mr. Savage, mein Name ist Melos. Würden Sie bitte mitkommen?«
    Überall herrschte die Perfektion: Die Decks waren geschrubbt, die Reling glänzte, die Treppe und der Korridor waren mit Teppichen ausgelegt. Wir betraten einen großen Salon mit einer Bar am hinteren Ende. In der Bar war sonst niemand. Melos bat mich um einen Augenblick Geduld, salutierte wieder und ging.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und sah mich um. Die Bilder an den Wänden waren durchweg Reproduktionen, das merkte sogar ich, aber es standen ein oder zwei sehr hübsche Bronzestatuen herum, die echt wirkten. Eine Gesichtsmaske mit leeren Augenhöhlen, die offenbar in die Ewigkeit blickten, gefiel mir besonders.
    »Gefällt's Ihnen?« fragte Aleko von der Tür her.
    Er sah in seinem weißen Smoking außerordentlich gut aus. Ich nickte. »Rhodos, erstes Jahrhundert, wenn ich mich nicht irre.« Er sah mich überrascht an. »Sie kennen sich aus.«
    »So schlimm ist das auch wieder nicht«, sagte ich. »Vor ein paar Jahren hab' ich nach archäologischen Funden getaucht. Ich war dabei, wie solche Dinger aus römischen und griechischen Wracks geholt wurden, hauptsächlich vor der türkischen Küste.«
    Damit hatten wir ein Thema, über das wir uns ein paar Minuten lang unterhalten konnten. Er verstand eine ganze Menge davon, aber schließlich war er auch reich genug, um sich solche Interessen leisten zu können.
    Ich hatte wohl erwartet, daß Sarah Hamilton meinetwegen einen spektakulären Auftritt abziehen würde, aber daraus kann man ersehen, wie wenig ich sie kannte. Als nämlich meine Unterhaltung mit Aleko ein wenig schleppend wurde, drehte ich mich um und sah sie auf einem Barhocker sitzen.
    Sie trug wieder eines ihrer ausgesprochen schlichten Kleidchen. Diesmal war es aus schwarzer Seide und im Stil einer griechischen Tunika aus der klassischen Zeit geschnitten, ärmellos und hochgeschlossen. Der Faltenrock war modisch kurz, dazu gehörten schwarze Strumpfhosen und goldene Sandalen.
    Daß blaßgoldene Haar, das ihr gerade bis auf die Schultern, hing, paßte blendend dazu, und sie wußte es auch. Nur der Anhänger, den sie an einer dünnen Kette trug, war Angabe: Der Saphir hatte eine solche Größe, daß er nur einen Schluß zuließ - irgendwo im tiefsten Indien mußte jetzt einem Tempelgott ein Auge fehlen.
    »Könnte mir jemand etwas zu trinken geben?« verlangte sie mit ihrer seltsamen, harten Stimme.
    Aleko beugte sich über ihre Hand. »Du siehst wie immer wunderbar aus«, sagte er und ging hinter die Bar.
    Sie nahm eine Zigarette, und ich gab ihr Feuer. Sie hielt meine Hand fest, obwohl das gar nicht nötig war, weil sie nicht zitterte. Dieser Augenblick brachte einen echten Kontakt zwischen uns. Es war nichts Oberflächliches. Sie wußte es, und ich wußte es auch. Sie schob sich das Haar über den Augen zurück und sah zu mir auf. Dabei bemerkte ich noch etwas anderes Unerwartetes: einen Anflug von Traurigkeit.
    Ich hätte sie in diesem Augenblick in die Arme nehmen mögen. Sie brauchte mich, brauchte mich dringend aus irgendeinem unbekannten Grund, aber Aleko beobachtete uns im Spiegel hinter der Bar. Sein Gesicht war blaß und gespannt. Später war mir klar, daß er es genau wußte, aber er kämpfte weiter.
    Als unsere Blicke sich trafen, lächelte er. Er reichte Sarah ein hohes Glas und zog eine Flasche Jameson unter der Bar hervor. »Ich glaube, das ist doch Ihre Marke, Mr. Savage?«
    »Sie haben sich über mich erkundigt«, sagte ich leichthin. »Warum?«
    »John Henry Savage«, sagte er, »geboren auf einem Bauernhof in der Nähe von Sligo im Jahre 1927.

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