Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Die Kinder spielten draußen, und Maximilian, der ihnen eine Weile lächelnd zugesehen hatte, ging zum hinteren Teil der Terrasse. Er legte die Hände auf die kühle Mauer und starrte hinaus in die Nacht. Der zunehmende Mond war von einem Schleier umgeben. Wie in jeder Sommernacht brannten oben in den Bergen die Wälder, nur einzelne kleine Feuer an diesem Tag, über denen unsichtbar der Rauch stand, sich schwarz und schwer über die Flammen legte und sie dunkelrot erscheinen ließ, fast kalt. Dazwischen die Lichter der Häuser, die Scheinwerfer der Autos, die sich wie Finger durch die Bäume zu tasten schienen. Tief sog er die Luft ein. Er suchte das Meer. Es roch nach nassem Staub, nach feuchtem Gras, nach dem Salz der Gischt.
Paola kam mit dem Kaffee aus der Küche und setzte sich in den freien Sessel zu den beiden Frauen.
Laura beobachtete Annalisa, wie sie ihr half, die Tassen zu verteilen, Zucker und Löffel herumzureichen. Sie war Mitte dreißig und sehr groß. Der Mode entsprechend trug sie ihre braunen Haare lang und offen. Sie hatte ein ruhiges, nicht wirklich schönes Gesicht, das alterslos schien. Es war ein Gesicht, das man sowohl einer Zwanzig- als auch einer Sechzigjährigen zugetraut hätte, und Laura, die sie ein wenig darum beneidete, fuhr sich wie so oft in ihrem Beisein über die grauen, hochgesteckten Haare, schürzte die Lippen, die sich dünn und kraftlos anfühlten. Sie verstanden sich gut. Laura mochte ihre nüchterne Art und die Leichtigkeit, mit der sie alles im Griff zu haben schien.
Mit der Frau ihres Sohnes tat sie sich schwerer. Vieri hatte die Enkeltochter des alten Del Nero geheiratet, des ehemaligen Prefetto. Paolas Vater saß für die faschistische Partei in Rom, und so hatte sie lange Zeit dort gelebt. Das großstädtische Gehabe, das sie manchmal an den Tag legte, die Art, wie sie sich über die Provinzialität der Küstenregion ereifern konnte, stieß sie ab. Auch dafür, dass ihre Ehe mit Vieri nicht besonders glücklich zu sein schien, gab Laura ihr die Schuld, obwohl sie anerkennen musste, dass es nicht ganz einfach war, mit ihrem Sohn auszukommen.
„Eine nette kleine Feier, meine Liebe. Alles so schlicht und unprätentiös und doch so stilvoll!“ Paolas Hände, die einige unbestimmte Bewegungen vollführt hatten, kamen auf ihren Knien wieder zur Ruhe.
„Wirklich, Annalisa, wir waren ganz gerührt, als wir gestern ankamen...“
„Das ist doch selbstverständlich.“
„... dabei gibt es in der Pension doch bestimmt jede Menge zu tun!“
Eine Weile unterhielten sie sich über die Besucherzahl, die auch in diesem Jahr wieder angestiegen war. Wenn der August keine unangenehme Überraschung brachte, gäbe es einen neuen Rekord. Wie die meisten anderen Hotels war auch die Pensione Moderna ausgebucht.
Als wäre ihr Stichwort gefallen warf Paola ein: „Ich habe übrigens über euer Namensproblem nachgedacht.“ Annalisa seufzte leise. “Wie wäre es mit Tropicana? Das klingt exotisch und hat Pep. Oder Mercedes? Villa Mercedes vielleicht. Hat für mich etwas Exklusives und Elegantes: Internationales Publikum in luxuriösem Ambiente oder so. Aber vielleicht mögt ihr es lieber Italienisch? Dann schlage ich Maremonti vor. Also, mir würde das gefallen: Maremonti.“ Sie sann dem Klang des Wortes nach. „Pensione Moderna ist antiquiert, einfach nicht mehr zeitgemäß. Man denkt dabei doch gleich an die fünfziger Jahre! Ich meine, modern ist nicht mehr modern, nicht wahr?“
„Wir tun uns ein wenig schwer, mit der Tradition zu brechen. Besonders ich. Gianni ist da viel offener.“
„Tradition, Tradition! Wer spricht denn heutzutage noch von Tradition? Da muss ich Vieri ausnahmsweise Recht geben, ihr seid schon ein klein wenig spießig!“
„Ich denke oft an die Großeltern, an Piero und Maria. Ich glaube, sie hätten das nicht gewollt.“
„Mein Gott, sie sind seit fünfundzwanzig Jahren tot!“
Laura hatte schweigend zugehört. Auch ihr behagte die Vorstellung nicht, das Haus, in dem sie aufgewachsen war, plötzlich verändert zu sehen. Und es war nicht nur der Name. Seit Jahren lag ihnen Paola in den Ohren, sie sollten erweitern, anbauen, die Gunst der Stunde nutzen und die Pension zu einem richtigen Hotel machen, zu einem Treffpunkt für den internationalen Jetset, wie sie sich auszudrücken pflegte, jetzt wo Könige und Wirtschaftsmagnaten, Schlagersänger und Sportstars Portoclemente entdeckt hatten. Doch Laura beobachtete diese Begeisterung mit Sorge. Schon
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