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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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zurechtgelegt. Jedenfalls las er auf Deutsch:
    „Nichts tilgt die Liebe,
    nicht Trennung durch Berge,
    nicht Zerwürfnis noch Ärger.
    Durchdacht und verbrieft,
    erprobt und geprüft –
    meine Schwurhand heb ich zu unserem Heile,
    jeder Finger eine poetische Zeile:
    Ich gelobe aufs neue:
    Liebe,
    unverbrüchliche Treue.“
    „Übersetzen Sie mir das?“
    „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann.“
    Sie baute sich vor ihm auf, die Gartenschere in der Hand. Doch sie lächelte. „Das wird doch hoffentlich nichts Unanständiges sein?!“ Sie zeigte auf das Buch, das er auf den Tisch gelegt hatte. „Die russischen Revolutionsdichter sollen ja einen recht“ – sie suchte nach einem passenden Wort – „unbeständigen Lebenswandel gepflegt haben“.
    Dass sie den Autor zu kennen schien, einen jungen und zudem weithin unbekannten Dichter, erstaunte ihn. Da er aber fürchtete, eine entsprechende Bemerkung könne sie verstimmen, beschloss er, darüber hinwegzugehen. Stattdessen sagte er: „Leben wir nicht alle in einer freieren Welt?“
    Sie lachte. „Freiere Welt? Wie lange sind Sie schon in Italien? Drei, vier Tage? Warten Sie noch ein wenig mit ihrem Urteil!“
    Es war ein merkwürdiges Gespräch. Sein Französisch und ihr Italienisch vermischten sich. Jeder von ihnen flocht einzelne Worte der jeweils anderen Sprache ein, und er war sich nicht sicher, ob sie sich wirklich verstanden.
    „Bitte! Sagen Sie mir wenigstens, um was es geht!“ Jetzt wirkte sie wieder so jung, wie sie war, ernst und gespannt lehnte sie an einem der Tische. Die Schere hatte sie in den Eimer geworfen.
    Er überlegte. Verlegen sagte er: „Es geht um Liebe...“
    „... natürlich, la bohème !“
    Fast wurde er rot. „Wo denken Sie hin! Sie tun ihm Unrecht. Es geht um Liebe, gewiss, aber um die unvergängliche Liebe, jene, die durch nichts zu erschüttern ist, und um Treue, um ewige Treue.“
    Jetzt waren sie beide verlegen. Niemand wagte, den anderen anzuschauen. Schließlich sagte sie: „Sie sind sicher verheiratet.“
    „Nein.“
    „Verlobt?“
    „Es gibt eine alte Jugendfreundschaft, die ich heiraten soll.“
    „Soll?“
    „Ja, mein Vater würde es gerne sehen.“
    „Und Sie?“
    „Ich weiß es nicht.“
    Laura war zum niedrigen Mauerchen gegangen, auf dem die Geranien und Oleander standen. Sie stützte sich darauf und blickte lange hinaus, zum Meer vielleicht, dessen Tosen der Wind hinauftrug, unbeweglich bis auf eine Haarsträhne, die sich im Luftzug hob und senkte, flatterte wie ein Fähnchen. Als sie sich wieder umdrehte schien ihre nachdenkliche Stimmung verflogen zu sein. Gut gelaunt nahm sie den Eimer, um ins Haus zurück zu gehen. „Sagen Sie ihr etwas Nettes, wenn sie gleich anruft.“
    „Ich verstehe nicht...?“ Dann lachte er und beeilte sich zu versichern, dass er auf einen rein geschäftlichen Anruf warte, die Nachricht seines Verlegers, wann sein Lyrikband endlich erscheine. Nein, das Schwelgen in Liebesgedichten sei rein zufällig und habe ganz gewiss nichts mit Anne zu tun.
    „Anne?“ Sie horchte dem fremden Klang nach. „Ein schöner Name.“ Sie wandte sich zum Gehen.
    „Laura, warten Sie!“
    Sie war schon in der Tür, als sie sich umdrehte. In ihrer Miene war die unverbindliche Freundlichkeit der letzten Tage zurückgekehrt. In manch ähnlicher Situation hatte er aufgegeben und sich auf später, auf morgen, auf eine günstigere Gelegenheit vertröstet. Doch an diesem Tag war es anders. Vielleicht war es dieser stille Augenblick gewesen, als sie auf das Mauerchen gestützt hinaus gestarrt hatte, die Traurigkeit oder Schwere, die sich plötzlich gesenkt hatte auf sie wie auf ihn, das Gefühl, es sei zu spät, es sei jetzt zu spät, wie es auch vorher schon zu spät gewesen war oder es irgendwann einmal wäre. Ein kurzes Gefühl der Hoffnungslosigkeit, dem er nicht Recht geben wollte durch sein Schweigen.
    „Wollen wir nicht zusammen spazieren gehen? Irgendwann, wenn Sie nicht arbeiten müssen, meine ich... Es gibt noch so vieles, über das ich gerne mit Ihnen sprechen würde!“
    „Worüber möchten Sie sprechen? Über die Liebe? Über Ihre Verlobte?“
    „Über was Sie wollen!“
    „Das ist schwieriger, als Sie vielleicht denken. Ich habe sehr viel zu tun.“ In Anspielung auf ihr Gespräch über seine Jugendliebe fügte sie hinzu. „Und mein Vater sieht es nicht gerne, wenn ich mich mit den Gästen abgebe.“
    „Also, nein?“
    Sie zögerte. „Holen Sie mich morgen in der Mittagspause

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