Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
Vom Netzwerk:
aufgerüttelt. Ein Erdbeben dessen Wellen die Berge hinabgestiegen waren bis über das Flussdelta im Norden hinaus und die Sümpfe im Süden. Die ganze Küste, dieser nur wenige Kilometer breite den Zweitausendern des Apennins, der Alpi Apuane , vorgelagerte Streifen war erschüttert worden, ein Stoß, der auch Pieros Gäste zurückgeholt hatte in die wirkliche Welt. Sie gehörten wieder dazu, und daran bestand kein Zweifel.
    Aufgeregt wie Kinder umringten sie Concetta, die schwer atmend die Fülle ihres Körpers auf einen Stuhl hatte sinken lassen. Einiges musste in die verschiedenen Sprachen übersetzt, einiges den im Umgang mit Marmor weniger bewanderten, und das waren die meisten, anschaulicher erklärt werden. Und plötzlich stand der schweigsame Matteo im Mittelpunkt, der als Bildhauer am meisten von Steinen verstand. Schon sein Vater und Großvater hatten den Marmor bearbeitet, hatten daraus Kaminsimse, Waschbecken und Vasen gemacht, hatten ihn geschnitten und geschliffen, gefräst und poliert, und während Matteo langsam und mit tiefer Stimme den einen oder anderen Arbeitsgang erläuterte, blickte er auf seine großen Hände, die über unsichtbare Flächen glitten, über Kanten und Ecken, und so, wie er den Stein zu sehen schien, seine Hände ihn streichelten und tasteten, meinten auch seine Zuhörer den goldschimmernden Venato vor sich zu haben, einen grünlichen oder rosafarbenen Travertin.
    Der Frühstückstisch im weinumrankten Hof war noch nicht abgeräumt, da beschloss man, den Fund gleich am nächsten Tag, einem Sonntag, in Augenschein zu nehmen. Mit Rücksicht auf die Kirchgänger unter ihnen, wurden die Pferdewagen für elf Uhr bestellt. Ein Hinweis, den die notorischen Langschläfer dem Amerikaner verdankten, der damit geschickt den allgemeinen Eifer bremste, auch wenn es außer der Wirtsfamilie und ihren Töchtern niemanden gab, der die kleine Kirche oberhalb des Dorfplatzes regelmäßig besuchte.
    Es wurde ein richtiger Ausflug. Schon lange vor der vereinbarten Zeit fand man sich mit allerlei Sonnenschirmen und Hüten, in eleganten Sommerkleidern und leichten Anzügen vollständig im Hof ein. Selbst die blasse Lidia war mit von der Partie, auch wenn sie am Vortag keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass sie nicht allzu viel von solch beschwerlichen Vergnügungen hielt. Denn der Weg war weit und die Pferde langsam. Für die einfache Strecke mussten mindestens zwei Stunden veranschlagt werden.
    Nicht einmal die Wirtsfamilie wollte sich das Schauspiel entgehen lassen, und so saß Piero mit seiner Frau Maria vorne auf dem Bock, die Töchter hatten den zweiten Wagen vorgezogen, der vom benachbarten Hotel ausgeliehen worden und der ungleich bequemer und größer war. Außerdem besaß er eine Stoffplane, die im Wind knatterte und vor der fast senkrecht stehenden Sonne schützte. Einzig Stefano fehlte, und man erzählte sich, er sei schon am frühen Morgen mit seinen Freunden losgezogen. Ob hinauf in die Berge zu den Steinbrüchen oder woandershin, blieb offen.
    Maximilian saß ebenfalls im Hotelwagen, auch wenn er sich bald fragte, ob er nicht besser mit der Mehrzahl der anderen Pensionsgäste, das klapprige hauseigene Gefährt genommen hätte. Laura hatte sich nach vorne zu Sandro Lucetti gesetzt, einem Burschen, der in den Marmorsteinbrüchen arbeitete und gelegentlich im Hotel Principe aushalf und den Maximilian an diesem Tage zum ersten Mal sah. Dieser schien sich mit der Wirtstochter bestens zu verstehen. Sie sprachen in einem schnellen und für ihn unverständlichen Dialekt, und je länger Maximilian ihnen zusah, umso niedergeschlagener wurde er. In Sandros Anwesenheit konnte sie mit einer Unbeschwertheit lachen, die ihm das Herz zuschnürte, und wenn sie wie beiläufig ihre Hand auf seinen sonnengebräunten Arm legte oder ihm scherzhaft in die Rippen stieß, dann regte sich eine Mischung aus Angst, Wut und Hilflosigkeit in ihm, ein Gefühl, das er in ihrem Zimmer beim Anblick des Fotos des vermeintlichen Verlobten vermisst hatte. Jetzt war er eifersüchtig.
    Es hatte ein paar Tage bedurft, um sie anzusprechen, um mehr zu sagen als guten Morgen oder gute Nacht, nach dem Essen zu fragen oder dem Weg zum Markt. Wäre die geheimnisvolle Verbindung nicht gewesen, die sich beständig hielt, seinen Zweifeln zum Trotz, er hätte es nicht gewagt. Aufmerksam und etwas ängstlich hatte er die Avancen des anderen Deutschen verfolgt, die Andeutungen und Anspielungen, die dieser mühelos einzuflechten wusste

Weitere Kostenlose Bücher