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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Küste bearbeitet werden sollten. Der Schatten eines verrosteten spanischen Frachters ragte an einem Ende der Mole auf. Auf der anderen Seite leuchtete der Monolith.
    Wie ein Edelstein brannte er im Licht der Scheinwerfer. Von seinem hölzernen Käfig befreit, lag er schlank und weiß auf dem Deck der Apuano , eines eigens für die kurze Fahrt nach Rom im nahen La Spezia auf Kiel gelegten Frachtkahns, und fast schien es, als bedürfe er eines solchen Gefährts nicht, als könne er sich, den dicken Tauen zum Trotz, die ihn nur mühsam zu bändigen schienen, allein auf die Reise machen, als könne er, wie ein Torpedo das Wasser des Hafens teilen, um hinauszuschießen in die Dunkelheit. Ein silbrig blitzender Fisch in der Schwärze des Meeres und der Nacht.
    Dorthin pilgerten die Menschen. Sie wollten ihn noch einmal bestaunen, wollten sich verabschieden und an jenen Tag zurückdenken, als die Kunde seines Funds sich wie ein Lauffeuer über die Küste verbreitet hatte, wollten den langen Abstieg die Berge hinab zum Meer im Geiste Revue passieren lassen und mit ihm den Sommer. Und dorthin, inmitten des Menschenstromes, der sie antrieb und mitzog, verschlug es auch die kleine Gruppe der Pensionsgäste.
    Plötzlich machte sich Laura von Maximilian los, ging ein paar Schritte, starrte in die Menge, um dann kopfschüttelnd umzukehren. Auf seine Frage schüttelte sie abermals den Kopf, blieb aber nachdenklich.
    Sie suchten sich Plätze zum Sitzen, legten Decken auf die Steine, ließen den Wein herumgehen und warteten. Als die alte Kanone am Fort abgeschossen wurde, begann das Feuerwerk. Es war ein großartiges Feuerwerk. Die Stadt, die Region, der Verband der Marmor verarbeitenden Industrie, die Partei, die Gewerkschaft, alle hatten etwas dazu beigesteuert, und so dauerte es fast eine halbe Stunde. Die neuesten pyrotechnischen Effekte wurden gezeigt, und doch gab es kaum jemanden, der das Wunderwerk von Anfang bis Ende verfolgt hätte.
    Denn kaum waren die ersten Raketen aufgestiegen wie startende Sternschnuppen, hatten sich die grünen und weißen und roten Feuerblumen im wolkenlosen Nachthimmel geöffnet, um prasselnd zu verglühen, hinabzusinken in den nachtschwarzen Hafen, kaum waren die Echos der ersten Explosionen von den Bergen zurückgeworfen worden, ging ein seltsamer Regen nieder. Manch einer dachte zuerst, es seien die ausgebrannten Reste der Geschosse, die geborstenen Hüllen der Treibsätze. Doch die Papierfetzen, die langsam dahintrieben im schwachen Zug des ablandigen Windes, hinabschwankten, als hingen sie an winzigen Fallschirmen, waren nicht braun und nicht schwarz, sondern weiß und viel größer, und bald schrie jemand: „Flugblätter!“, eine Losung die von Mund zu Mund ging, leise hinter vorgehaltener Hand oder laut hinausgebrüllt, aufgeregt oder beunruhigt, je nach Temperament und politischer Anschauung, während sich die Arme streckten, die ersten Hände nach oben zeigten. Der ganze Himmel hing voll damit, und dann gingen sie nieder, überzogen Kai und Piers wie frisch gefallener Schnee. Und schon lasen die Menschen, während es von den ins Dunkle ragenden Ladekränen weiterregnete.
    Die Schwarzhemden stoben wie aufgescheuchte Hühner auseinander, Befehle wurden gebrüllt, Trillerpfeifen erklangen. Dann sah man rennende Gestalten sich durch die Menge einen Weg bahnen, ohne dass im schwachen Licht auszumachen gewesen wäre, ob sie jemanden verfolgten oder selbst verfolgt wurden. Jemand versuchte einen der Kräne zu erklettern.
    Währenddessen ging das Feuerwerk weiter. Wie eine Aufführung, die einer strengen Choreografie gehorchte und einmal begonnen, fortschreiten musste bis zum Ende, stiegen die Raketen unbeachtet in die Nacht und zauberten die schönsten Bilder in den blauschwarzen Himmel, violette Fächer lösten die grünweißroten Blumen ab, Fontänen silbrigen Lichts stiegen hinauf, um sich wie leuchtendes Wasser in das Hafenbecken zu ergießen. Während sich jetzt auch die Uniformierten an der Jagd nach den Tätern beteiligten, nach irgendjemandem suchten, den man hätte verantwortlich machen können, bemühten sich Maximilian und Laura, den Inhalt des Flugblatts zu entziffern.
    „Stefano“, sagte Laura. Sie zitterte so stark, dass sie das Blatt nicht halten konnte. „Ich habe ihn am Gang erkannt, vorhin, als wir hereingekommen sind.“ Er habe seine Mütze tief ins Gesicht gezogen gehabt, aber wenn man jemanden wirklich kenne, dann genüge ein Blick auf seinen Gang. "Der Gang, verstehst

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