Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
Maximilians Gepäck und bahnte ihm einen Weg durch die Menge. Auf dem kleinen Platz vor dem Bahnhof wartete der Fahrer. Er lehnte am Wagen und rauchte. Als er sie kommen sah, nahm er Haltung an, hob den Arm zum Gruß, und Maximilian nickte ihm zu. Durch schmutzige Straßen mit heruntergekommen Häusern fuhren sie nach Pontremoli hinein zur Bezirkskommandantur.
„Nehmen Sie einen Cognac?“ Generalmajor Knippschild schenkte ihm ein. Dann fuhr er sich über das kurze graue Haar. „Wo waren Sie? In Frankreich? Dann sind Sie vermutlich Besseres gewohnt als das hier.“ Sie hoben das Glas und tranken. Der Bezirkskommandant lächelte oder schien zu lächeln, denn sein rechter Mundwinkel zeigte stets ein wenig nach oben, was seinem Gesicht etwas Freundlich-Spöttisches verlieh. Nur seine Augen blieben dunkel und unbewegt. „Ich will offen zu Ihnen sein. Ich habe Sie angefordert, weil ich einen Verbindungsoffizier brauche, jemanden, der den Kontakt zu den Italienern aufrecht erhält, zu den Zivilisten, zu den Milizen und zu den wenigen regulären Einheiten, die es noch zu geben scheint.“ Während er sprach, hielt er den Cognacschwenker mit beiden Händen und sah in die bräunliche Flüssigkeit. Dann nahm er die Akte, die auf dem Tisch lag, und blätterte darin herum. „Hm, hm, in Reims waren Sie stationiert. Nachrichtenbataillon. Scheinen ja ein richtiges Sprachgenie zu sein. Französisch, Italienisch, etwas Spanisch. Waren Sie in Spanien? Nein? Hm, und Sie kennen die Gegend hier wie Ihre Westentasche...“
„Mit Verlaub, Herr Generalmajor, das ist fast zwanzig Jahre her.“
„Und seitdem waren Sie nie wieder hier? Nein? Hm, immerhin, besser als nichts. Ich bin seit zwei Wochen da.“ Er lachte trocken. „Seit dem achten September versuchen wir zu retten, was zu retten ist. Aber das ist nicht viel, glauben Sie mir. Die italienische Armee hat sich de facto aufgelöst. Das völlige Chaos, wie Sie sich vorstellen können.“ Er kaute nachdenklich auf den Lippen. „Keine Ahnung, wer Freund und wer Feind ist. Auf die Carabinieri ist wenig Verlass, und die Schwarzhemden machen sowieso, was sie wollen.“ Er nahm eine Zigarette. „Rauchen Sie? Nein? Da haben Sie Glück!“ Umständlich zündete er sie an. „Außer auf uns selber kann man sich nur auf X. MAS Flottille verlassen, unten in La Spezia. Haben Sie von denen jemals etwas gehört? Das sind die härtesten Soldaten, die man sich vorstellen kann. Die schwimmen auf einem Torpedo zu den Engländern rüber und jagen denen die Pötte hoch. Reine Selbstmordkommandos. Unglaublich! Die interessiert kein Waffenstillstand, keine Kapitulation. Notfalls machen sie ihren Krieg alleine. Aber sonst...“ Er wackelte mit dem Kopf, während aus seiner Nase der Rauch langsam entwich. „Die Menschen hier scheinen uns nicht gerade wohlgesonnen. Selbst die Schwarzhemden scheißen sich die Hosen voll.“ Er zog abschätzig die Oberlippe hoch, und für einen Moment verschwand das Lächeln, das in seinem Gesicht eingebrannt schien. „Pack!“ Maximilian antwortete nicht, aber das schien der Bezirkskommandant auch nicht erwartet zu haben. „Ein eigenartiges Völkchen. Aber das wissen Sie vermutlich besser als ich. Haben 1940 als einzige in ganz Italien den Generalstreik gegen den Krieg ausgerufen. Stellen Sie sich das mal vor!“ Er schüttelte den Kopf. „Und die Partisanen...“
„Partisanen?“
„Ein paar geflüchtete Kriegsgefangene, ein englischer Offizier, der eine oder andere Deserteur, nichts Beunruhigendes. Sollte man aber nicht unterschätzen. Wir wollen doch nicht die gleichen Verhältnisse wie in den Abruzzen oder an der Adria, nicht wahr, von Kampen?“
„Jawohl, Herr Generalmajor!“
Dieser winkte ab. „Wir müssen Ordnung schaffen. Und zwar schnell.“ Er drückte seine halb gerauchte Zigarette aus. „Und dabei sollen Sie mir helfen, von Kampen. Was haben Sie im Zivilberuf gelernt?“ Er zeigte auf die Akte. „Sie sind Verleger? Sie haben’s also mit Worten. Das ist gut. Sie werden viel reden und noch mehr schreiben. Heute noch fahren Sie hinunter nach Monteforte. Das liegt im Dreieck zwischen La Spezia, Carrara und Aulla, aber wem sage ich das. Dort sitzt Hauptmann Guderjahn, ein fähiger Offizier. Sobald ich ein paar Mann entbehren kann, schicke ich Ihnen Verstärkung. Und vergessen Sie eins nicht: Sie gehören zu meinem Stab und sind nur mir persönlich verantwortlich. Niemandem sonst. Haben Sie mich verstanden?“ Dann gab er ihm eine Kladde mit
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