Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
der 28. Matteotti sowie Falco und Pietro von der Brigata Lunense stießen zu ihnen. Im Gegensatz zu Stefano war Pietro ein richtiger Politischer Kommissar, erst vor kurzem aus dem Moskauer Exil zurückgekehrt, war er für einen der größten Kampfverbände der Region zuständig. Falco war der Kommandant der Brigade. Sie wurden auch die Grauen genannt, so wie sie selbst die Weißen hießen. Das Verhältnis zwischen ihnen war stets ein wenig angespannt und von gegenseitigem Misstrauen geprägt.
Während ihre Männer die Abwurfstelle sicherten und die Signalmarkierungen aufstellten, tauschten die Verantwortlichen der Brigaden Neuigkeiten aus. Überall war die Lage ähnlich. Es gab eine Flut von Neuankömmlingen, die nicht bewaffnet und kaum ernährt werden konnten. Die Situation verschlechterte sich von Tag zu Tag, zumal die Bewohner der Bergdörfer sie nicht mehr offen zu unterstützen wagten und Carabinieri und Milizen ihre Streifzüge ausgedehnt hatten. Auch die Deutschen beteiligten sich jetzt an den Säuberungen.
Kurz vor Mitternacht brannten dann endlich die Feuer. Sie waren im Abstand von fünfzig Metern aufgestellt und bildeten ein riesiges, leuchtendes L, das aus der Luft weithin zu sehen sein musste. Aus der Luft und vielleicht auch vom Tal her, wie Stefano angesichts der meterhohen Flammen sorgenvoll dachte.
Noch immer standen sie unweit des ersten Feuers beisammen. Es war das siebte Mal innerhalb weniger Monate, dass sie hier oben in der eisigen Kälte ausharrten. Bisher hatten sie stets vergeblich gewartet.
Pietro rieb seine in Lumpen gewickelten Hände aneinander. „Wenn sie auch heute nicht kommen, dann holen wir uns die Waffen eben bei den Schwarzhemden.“
Conti lachte laut und anhaltend. Seine Lippen zogen sich zurück und gaben ein gewaltiges Gebiss frei, er schien mehr zu wiehern wie ein Pferd, als tatsächlich zu lachen. Er zog seine Brille ab und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Tenente Roberto stieß Stefano an. Leise fragte er: „Ist er verrückt?“
So ging es eine Weile weiter, Pietro machte die abenteuerlichsten Vorschläge, Conti ließ sein lautes Wiehern ertönen, Falco sah ernst und entschlossen in die Runde, und der Engländer erläuterte das Für und Wider so sachlich, dass sich die Anführer der Brigata Barudda auf wortkarge Zustimmung beschränken konnten. Vielerlei Pläne wurden geschmiedet und verworfen, Zigaretten herumgereicht. Trotz der Kälte und des zermürbenden Wartens war die Stimmung fast entspannt.
Später gingen Stefano und Roberto zu ihren eigenen Männern zurück. Sie standen um eines der Feuer, die mehr qualmten als wärmten. Der tenente ließ abzählen. Es fehlten die beiden Polen, die mit dem einzigen Maschinengewehr, das die Brigade besaß, Lewis‘ Wachposten am Taleingang unterstützten, und es fehlte Luca, der ehemalige Carabiniere, der erst vor kurzem zu ihnen gestoßen war.
„Wo, zum Teufel, ist Luca?“
„Er hat sich den Knöchel verstaucht.“ Geraume Zeit vor ihrem Aufbruch hatte sich Luca bei Stefano abgemeldet. „Ich glaube, er wollte im Dorf Unterschlupf suchen.“
„Hat er ein Mädchen?“
Stefano zuckte mit den Achseln.
„Hm“, der Oberleutnant sah forschend zu den schwarzen Schatten, die sie eingekreist hatten, Berge, Bäume oder was auch immer sich im Dunkeln verbarg. Hier vor den lodernden Flammen gaben sie hervorragende Zielscheiben ab. „Den Knöchel verstaucht.“ Er warf den winzigen Stummel fort, an den er bis zum Schluss aus spitzen Fingern gezogen hatte. „Das gefällt mir nicht. Der Junge kommt und geht, wie es ihm passt. Keine Disziplin, überhaupt keine. Rede ihm ins Gewissen. So einen können wir hier oben nicht brauchen. Es ist zu gefährlich. Irgendwann erwischen sie ihn und knüpfen ihn auf.“
Ein nächtlicher Abwurf hat etwas Märchenhaftes. Im weiten, sternenübersäten Himmel erblühen weiße und rote Blumen, sie erblühen aus dem Nichts, so gänzlich unerwartet wie die ersten Knospen auf den Kastanienbäumen, und wäre da nicht das tiefe Raunen der Motoren, das von den Hängen tausendfach zurückgeworfen von überallher zu kommen scheint, man müsste tatsächlich an ein Wunder glauben. Dann senken sich schaukelnd die glänzenden Schirme und bringen ihre kostbare Fracht sicher zur Erde: Waffen und Munition, Schuhe, Kleidung, Lebensmittel, Schokolade und Zigaretten. Es ist wie im Schlaraffenland, wo man nur die Hand aufhalten muss, den Mund, und jeder Wunsch geht alsbald in Erfüllung.
So hatte sich
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